Berlin, 26. September 2001. – Der Vorstandsvorsitzende des Vereins Versicherungsombudsmann e.V., Dr. Bernd Michaels, stellt auf der Pressekonferenz in Berlin den neuen Ombudsmann der Öffentlichkeit vor. Dr. Michaels, gleichzeitig Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), erläutert in seinem Statement Aufgaben und Ziele der neu geschaffenen Streitschlichtungsstelle
Ich freue mich, dass ich Sie heute als Vorsitzender des Vorstands des Ombudsmannvereins zur ersten Pressekonferenz des neuen Vereins begrüßen kann. Im Februar 2000 hatte ich der Öffentlichkeit erstmals mitgeteilt, dass die Versicherungswirtschaft für ihre Kunden ein unabhängiges, gebührenfreies Streitschlichtungsverfahren plant und diese Pläne nach sorgfältigen Vorbereitungen voraussichtlich Ende 2001 verwirklicht sein werden. Wir haben diesen Zeitplan eingehalten.
Der Ombudsmannverein hat Sie zu dieser ersten Pressekonferenz eingeladen.
Wir wollen Ihnen mitteilen, dass das Ombudsmannverfahren am 1. Oktober 2001 offiziell beginnt, und der Ombudsmann ab diesem Tag Beschwerden der Kunden entgegennimmt und bearbeitet.
Wir wollen Ihnen den ersten Versicherungsombudsmann vorstellen, damit Sie von ihm persönlich erfahren, welche Maßstäbe er an seine Arbeit anlegt und welche Ziele er während seiner fünfjährigen Amtszeit erreichen will. Professor Wolfgang Römer war bis zu seiner Pensionierung im Juni 2001 Richter am Versicherungssenat des Bundesgerichtshofs und hat durch seine Urteile den Verbraucherschutz in der Versicherungswirtschaft wesentlich vorangetrieben.
Schließlich möchten wir Ihnen heute das Schiedsverfahren in seinen Grundzügen vorstellen, von der Beschwerdeaufnahme über das Hauptverfahren bis zur Entscheidung.
I. Der Verein Versicherungsombudsmann e.V.
Wer ist der Verein Versicherungsombudsmann e.V.? In diesem Verein organisieren sich jene Versicherungsunternehmen, die mit ihren Kunden am Streitschlichtungsverfahren teilnehmen wollen. Der Beitritt zum Verein ist eine freiwillige Entscheidung jedes Unternehmens. 13 Erstversicherer – mit Ausnahme der Krankenversicherer, die ein eigenes Ombudsmannverfahren durchführen werden – haben am 21. April diesen Jahres den Verein als Träger des Ombudsmannverfahrens gegründet und – wie sich das gehört – einen Vereinsvorstand gebildet. Die Gründungsmitglieder waren im Übrigen jene Unternehmen, die auch im Präsidium des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft vertreten sind.
Mittlerweile ist die Zahl der Mitgliedsunternehmen des GDV, die dem Verein beigetreten sind, auf über 100 angewachsen. Diese Unternehmen repräsentieren einen Anteil am gesamten Versicherungsmarkt von fast 90 Prozent. Dies ist ein sehr gutes Ergebnis! Vor allem lässt diese Größenordnung bereits die Aussage zu, dass der Versicherungsmarkt in Deutschland das Ombudsmannverfahren akzeptiert, denn er öffnet seinen Kunden den neuen Beschwerdeweg beim Ombudsmann.
Ich will hier betonen: Beschweren können sich beim Ombudsmann nur diejenigen Kunden, deren Unternehmen Mitglied im Verein ist. Ich erwarte, dass in den nächsten Tagen und Wochen jene Unternehmen, die zurzeit noch zögern, dem Verein ebenfalls beitreten werden. Nach meiner Überzeugung werden in nicht allzu ferner Zukunft die Unternehmen nicht nur von ihrem Marktanteil, sondern auch von ihrer Anzahl komplett beim Ombudsmannverfahren vertreten sein.
II. Verbraucherschutz und Versicherungswirtschaft
Bei einer Auftaktpressekonferenz des Ombudsmanns ist es erforderlich, noch einmal die Gründe zusammenzufassen, die die Versicherungswirtschaft zu der Einrichtung eines außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahrens veranlasst haben:
Die Versicherungswirtschaft war sehr lange ein Verkäufermarkt, beaufsichtigt bei der Produkt- und Tarifgestaltung vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV), das die Verbraucherbelange wahrgenommen hat. Dies hat sich entscheidend verändert. Mit der Deregulierung der Versicherungsmärkte ist diese Kontrolle weitgehend entfallen. Die Produkte sind seitdem nicht einfacher geworden. Versicherungsschutz bleibt für den Verbraucher bis zum Eintritt eines Schadenfalles sehr abstrakt, und gelegentlich klafft dann zwischen dem Erwartungshorizont eines Kunden und dem, was von seiner Versicherung abgedeckt ist, eine Lücke. Und wir wissen, dass auch in den Versicherungsunternehmen Fehler vorkommen können. Es wäre absurd zu behaupten, es gebe für die Versicherungswirtschaft keinen Verbesserungsbedarf mehr.
Die Versicherungswirtschaft ist sich dieser Situation sehr wohl bewusst. Die Unternehmen haben – vielleicht stärker noch als andere Wirtschaftszweige – Kundenzufriedenheit als vorrangiges Ziel erkannt. Für ein Versicherungsunternehmen, das auf langlaufende Vertragsbeziehungen ausgerichtet ist, sind die Bindung und die Treue des Kunden entscheidende Faktoren im Wettbewerb: innerhalb der Versicherungswirtschaft, aber auch gegenüber Wettbewerbern aus alternativen Branchen.
Die Unternehmen haben deshalb zum Teil sehr viel in die eigene Beschwerdebearbeitung und Kundeninformation investiert. Aber das allein reicht nicht. Versicherungsunternehmen und Kunde sind im Konfliktfall immer Partei und stehen sich dann misstrauisch gegenüber. Wir brauchen deshalb eine unabhängige Institution, die sich als neutrale Instanz anbietet und den Konflikt losgelöst von Interessen entscheidet.
Diese unabhängige Institution wird ab dem 1. Oktober 2001 der Ombudsmann sein. Er ist quasi der lebende Beweis, dass die Versicherungswirtschaft die Kundenbedürfnisse ernst nimmt. Er signalisiert dem Kunden, dass er eine Anlaufstelle hat, wenn er unzufrieden und bei seinem Unternehmen nicht weitergekommen ist. Er signalisiert, dass wir uns um Lösungen komplizierter Sachverhalte bemühen, und zwar kostenlos für die Kunden und neutral.
Ich bin deshalb froh, dass die jahrelangen Diskussionen um das Für und Wider eines eigenen Ombudsmannverfahrens mit der Gründung des Vereins jetzt ein gutes Ende gefunden haben. Unsere Initiative trifft, da bin ich sicher, auch den Zeitgeist. Aus Brüssel kommen entsprechende Anregungen, und in Deutschland sind – wie Sie alle wissen – die Aufgaben des Verbraucherschutzes zusammengefasst, die Zuständigkeiten erweitert und ein Ministerium sogar namentlich danach benannt worden. Das alles ist eine Folge der gewachsenen Macht der Verbraucher. Die Verbraucher von heute sind souverän und wollen von den Institutionen auch ernst und vor allem wahrgenommen werden.
III. Der Ombudsmann
Wir wünschen uns jetzt, dass das Ombudsmannverfahren auch von unseren Kunden angenommen und vor allem in Anspruch genommen wird. Und zwar bevor sie sich an die Gerichte wenden. Dies gelingt aber nur dann, wenn ihr Vertrauen in die institutionelle und persönliche Unabhängigkeit des Ombudsmanns und seine fachliche und persönliche Autorität gerechtfertigt ist.
Wir haben alles getan, um formal die Unabhängigkeit des Ombudsmannverfahrens sicherzustellen:
- Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hat das Ombudsmannverfahren auf den Weg gebracht. Ab jetzt zieht er sich vollständig zurück. Die Beschwerdeentscheidungen, auch die Entscheidungen über die Organisation und alle Entscheidungen, die damit zusammenhängen, treffen in Zukunft der Verein und seine Gremien, die nicht von der Versicherungswirtschaft dominiert werden.
- Zur Amtszeit des Ombudsmanns: Diese Aufgabe ist auf fünf Jahre befristet und kann nicht verlängert werden. Dies ist nicht nur eine Formalie. Diese Satzungsregelung haben wir gewählt, um den Ombudsmann nicht in Versuchung zu bringen, sich über seine Entscheidungen das Wohlgefallen der einen oder anderen Seite zu sichern, um eventuell wiedergewählt zu werden.
Mit Leben erfüllt sich diese institutionelle Freiheit des Ombudsmanns aber nur dann, wenn er auch in seiner Person alle diese Voraussetzungen verkörpert: Integrität, Autorität, Kompetenz und Unabhängigkeit.
Ich glaube, ich kann sagen, wir haben mit Herrn Professor Wolfgang Römer diesen idealen Ombudsmann gefunden. Seine fachliche Autorität, seine sachliche Integrität sowie seine persönliche Unabhängigkeit stehen wohl außer Zweifel.
Bis Juni hat Professor Römer als Richter im Versicherungssenat des BGH höchstrichterliche Entscheidungen gefällt oder verantwortlich mitgetragen, die auf den ersten Blick nicht dazu angetan waren, seitens der Versicherungswirtschaft in Jubel auszubrechen. Auf den zweiten Blick müssen aber auch wir zugeben, dass diese Entscheidungen vorausschauend waren und die Versicherungswirtschaft in eine verbraucherfreundliche Richtung weitergebracht haben.
Es war ein glücklicher Zufall, dass Professor Römer just zu der Zeit aus dem Versicherungssenat des BGH ausgeschieden ist, zu der wir ernsthaft einen Ombudsmann suchen konnten. Und ich freue mich, dass Professor Römer durch seine Bereitschaft, dieses Amt anzunehmen, gezeigt hat, dass auch er davon überzeugt ist, dass der Versicherungsombudsmann eine Chance hat. Eine Chance, nicht nur seine streitschlichtende Funktion zu erfüllen, sondern auch einen Dialog zwischen Verbraucherschutz und Versicherungswirtschaft in Gang zu setzen. Ich bin sicher, dass er anderenfalls dieses Amt nicht übernommen hätte.
Ausdrücklich erwähnen möchte ich auch, dass Professor Römer mit Herrn Dr. Bultmann ein Geschäftsführer zur Seite steht, der ebenfalls dem Verbraucherschutz nahe steht. Herr Dr. Bultmann war bis zu seinem Eintritt in den Ombudsmannverein Vorstand des Verbraucherschutzvereins Berlin.
IV. Die Gremien ( Beirat )
Was zurzeit noch aussteht, ist die komplette Besetzung des Beirats. Der Beirat wird aus 27 Personen bestehen und setzt sich zusammen aus acht Vertretern der Vereinsmitglieder, also Versicherungsunternehmen, acht Vertretern der Verbraucherschutzorganisationen, zwei Vertretern der Versicherungsaufsicht, drei Vertretern der Wissenschaft und sechs Vertretern der politischen Parteien. Verbindliche Zusagen gibt es bisher vom BAV und von den politischen Parteien, die ihre verbraucherpolitischen Sprecher benannt haben. Gespräche wurden auch bereits mit den Verbraucherverbänden geführt, die insbesondere noch Änderungswünsche hinsichtlich der Satzung hatten, denen wir zwischenzeitlich weitestgehend nachgekommen sind.
Die Verbraucherverbände haben zwar ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme signalisiert: Die verbindliche Zusage, im Beirat mitzuwirken, steht jedoch zur Zeit bedauerlicherweise noch aus. Dies gilt nicht für den ADAC, der bereits einen Vertreter benannt hat. Als Vorsitzender des Vorstands des Ombudsmannvereins wünsche ich mir ausdrücklich, dass die Verbraucherverbände positiv entscheiden und das gesamte Spektrum des Verbraucherschutzes vertreten ist, gerade auch diejenigen, die der Versicherungswirtschaft kritisch gegenüberstehen.
Ich möchte auch den Befürchtungen entgegentreten, dass der Versicherungsombudsmann das Beschwerdemanagement der Versicherungsunternehmen, die Beschwerdebearbeitung des Aufsichtsamtes oder die Arbeit der Verbraucherverbände untergräbt: Die vorherige Beschwerde beim Unternehmen ist eine Voraussetzung, damit sich der Kunde überhaupt an den Ombudsmann wenden kann. Die Beschwerde beim BAV hat eine völlig andere Funktion. Das BAV leitet Beschwerden weiter, entscheidet sie am Ende aber nicht. Wir werden einen Weg finden, dem BAV die Informationen zur Verfügung zu stellen, damit es sich auch aus den Beschwerden beim Ombudsmann das notwendige Bild über den Zustand des Marktes machen kann.
Ebenso wenig ist die Aufgabe der Verbraucherschützer mit der des Ombudsmanns vergleichbar. Das Schwergewicht der Verbraucherverbände liegt in der Verbraucherberatung und weniger oder kaum in der Schlichtung zwischen Verbrauchern und Unternehmen.
Deshalb wird der Ombudsmann die bestehenden Institutionen sinnvoll ergänzen. Er will und kann sie nicht ersetzen. Aber er ist ein geeignetes Instrument der Vertrauensbildung und Befriedung.
Ich hoffe auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit diesen Institutionen, einschließlich der Wissenschaft. Der gegenseitige Austausch wird der einzig vernünftige Weg sein, um den Verbraucherschutz tatsächlich weiterzubringen.