I.
Zum Zeitpunkt des Unfalls, dem 4. Juli 2005, bestand zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin ein Unfallversicherungsvertrag, der unter anderem Leistungen bei unfallbedingter Invalidität vorsah. Der Beschwerdeführer verletzte sich bei einem Verkehrsunfall die linke Schulter und das linke Knie. Den Unfall zeigte er seinen Angaben zufolge erstmals am 28. September 2005 der Beschwerdegegnerin an und wiederholte seine Unfallmeldung am 17. Februar 2006. Eine weitere Erinnerung ging am 8. Januar 2007 an die Beschwerdegegnerin, diesmal per Einschreiben und Rückschein. Auf dieses letzte Schreiben antwortete die Beschwerdegegnerin am 12. Januar 2007. Nach Erhalt der Schadenanzeige wies die Beschwerdegegnerin in ihrem Schreiben vom 31. Januar 2007 auf die Fristen zur Entstehung, ärztlichen Feststellung und Anmeldung einer unfallbedingten Invalidität hin. Zugleich machte sie darauf aufmerksam, dass die Säumnis einer dieser Fristen zum Wegfall des Invaliditätsanspruchs führe. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fristen gemäß § 7 Absatz I (1) AUB 88 bereits abgelaufen. Nachdem der Beschwerdeführer weitere ärztliche Unterlagen einreichte, beauftragte die Beschwerdegegnerin einen medizinischen Sachverständigen zur Feststellung der unfallbedingten Dauerfolgen. Dies wurde dem Beschwerdeführer am 8. März 2007 mitgeteilt. Das Gutachten des Sachverständigen vom 10. Juli 2007 schloss mit dem Ergebnis, dass durch den Unfall vom 4. Juli 2005 eine dauernde Gebrauchsminderung des linken Armes von einem Siebtel Armwert und eine dauernde Gebrauchsminderung des linken Beines von einem Zwanzigstel Beinwert entstanden sei. Nunmehr berief sich die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 23. Juli 2007 auf den Wegfall des Invaliditätsanspruchs wegen des Ablaufs der Fristen gemäß § 7 Absatz I (1) AUB 88. Außerdem setzte sie die Klagefrist nach § 12 Absatz 3 der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG a. F.).
II.
Der Beschwerdeführer hat einen vertraglichen Anspruch auf die vollständige Leistungsprüfung durch die Beschwerdegegnerin wegen etwaiger Invaliditätsansprüche aufgrund des Unfalls vom 4. Juli 2005. Auf den Ablauf der Invaliditätsfristen gemäß § 7 Absatz I (1) AUB 88 kann sich die Beschwerdegegnerin nicht berufen.
Dies folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, die das gesamte Rechtssystem beherrschen. Danach darf derjenige, der einen Anspruch geltend machen will, sich zu seinem früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzen. Ein solches widersprüchliches Verhalten führt unter bestimmten Umständen dazu, dass die Berufung auf eine Rechtsposition eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann. So liegt der Fall hier.
Dabei ist der Beschwerdegegnerin darin zuzustimmen, dass dies nicht aus den von ihr zitierten Urteilen des Oberlandesgerichts Hamm (Entsch. v. 29. 11.1996, 20 U 91/96 RuS 1997,130) oder des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Entsch. v. 5.11.1997, 13 U 31/92, VersR 1998, 882-883) folgt. In beiden Entscheidungen wird ausgeführt, dass der Unfallversicherer sich auch dann noch auf den Ablauf der Fünfzehn-Monats-Frist gemäß den AUB berufen kann, wenn er zuvor trotz Fristablauf versucht hat, durch Einholung von ärztlichen Gutachten den Sachverhalt aufzuklären. Denn es könne im Sinne des Versicherungsnehmers sein, wenn der Versicherer trotz Ablauf der Invaliditätsfristen eine Begutachtung durchführt, da ansonsten letztlich zu Lasten des Versicherungsnehmers die Möglichkeit abgeschnitten würde, eine Kulanzregelung zu treffen. Anders – also rechtsmissbräuchlich – sei dies jedoch, wenn sich der Versicherte im Rahmen der erhobenen Gutachten beschwerlichen Diagnosemaßnahmen zu unterziehen hatte, die er nicht erduldet hätte, wenn er mit einer Ablehnung der Leistung wegen Fristablaufs rechnen musste.
Unstreitig hat der Beschwerdeführer keine beschwerlichen Diagnosemaßnahmen erdulden müssen. Allerdings ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die Beschwerdegegnerin dazu bereit war, ungeachtet des Fristablaufs eine Kulanzleistung in Erwägung zu ziehen. Sie hat vielmehr selbst eingeräumt, den Ablauf der Invaliditätsfristen übersehen und somit im irrtümlichen Glauben einer möglichen eigenen Leistungspflicht das Gutachten beauftragt zu haben. Da somit die Prüfung trotz Fristablauf nicht zugunsten einer möglichen Kulanzregelung erfolgte, treffen auch die übrigen Erwägungen dieser Entscheidungen auf den vorliegenden Fall nicht zu.
Allerdings folgt die Treuwidrigkeit daraus, dass die Beschwerdegegnerin über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten – wenn auch möglicherweise ungewollt – den Eindruck erweckt hat, als stünden der Leistung des Versicherers jedenfalls keine Fristen entgegen. Dadurch hat sie gegenüber dem Beschwerdeführer einen Vertrauenstatbestand gesetzt. Nach einem solchen Verhalten kann sie sich aber nicht mehr auf ihre formale Rechtsposition zurückziehen, denn es ist anerkannt, dass widersprüchliches Verhalten auch dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BGH Urt. v. 5. Juni 1997 (X ZR 73/95) NJW 1997, S 3377 ff. [3380] mit weiteren Nachweisen).
Die Beschwerdegegnerin hat – nachdem ihr verschiedene Schreiben des Beschwerdeführers nicht zugegangen sind – auf das am 8. Januar 2007 per Einschreiben und Rückschein versandte Schreiben geantwortet. Mit ihrem Schreiben vom 31. Januar 2007 wies sie ihn auf die verschiedenen einzuhaltenen Fristen und die Folgen bei Säumnis hin, obwohl diese Fristen längst abgelaufen waren. In der Folge veranlasste sie zudem noch die Untersuchung des Beschwerdeführers durch einen medizinischen Sachverständigen. Nachdem schließlich der Gutachter einen relevanten Invaliditätsgrad feststellte, berief sie sich mit Schreiben vom 23. Juli 2007 auf die Fristversäumnis. Unter diesen Umständen muss ein Vertragspartner nicht mehr damit rechnen, dass ein bereits zu Beginn der Prüfungen vorliegender Grund, der zuvor nicht offengelegt wurde, zur Nichtleistung herangezogen wird.
Der Beschwerdegegnerin wird daher empfohlen, ihre Leistungspflicht unter Abkehr von dem Einwand des Ablaufs der Invaliditätsfristen neu zu prüfen. Eine Empfehlung, den Unfallschaden anhand des Gutachtens 10. Juli 2007 abzurechnen, konnte im Rahmen dieses Ombudsmannverfahrens nicht gegeben werden, weil damit in das Recht der Beschwerdegegnerin auf die Durchführung einer eigenen umfassenden Leistungsprüfung eingegriffen würde.
Das Ombudsmannverfahren endet mit Zugang dieses Schreibens bei den Parteien, wobei die Wirkung des § 12 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmanns (VomVO), also die Hemmung der Fristen nach § 12 VVG a. F., drei Tage nach Versand dieses Schreibens endet, § 10 Absatz 5 VomVO. Soweit die Beschwerdegegnerin aus der Fristsetzung nach § 12 Absatz 3 VVG a. F. noch Rechte abzuleiten beabsichtigt, wird sie gebeten, dies dem Beschwerdeführer umgehend mitzuteilen.
Der ermittelte Beschwerdewert von 10.737,16 Euro (14 Prozent aus der Versicherungssumme von 76.694 Euro) liegt über 5.000 Euro, so dass eine für die Beschwerdegegnerin nach § 11 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 3 Vom VO unverbindliche Empfehlung auszusprechen war.