I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der Beschwerdegegnerin ausgesprochene Anfechtung seines Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung.
Der Beschwerdeführer ist Versicherungsnehmer des Vertrages, der eine Risikolebensversicherung einschließlich einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) mit Versicherungsbeginn am 1. April 2002 beinhaltet. Versicherter ist sein Sohn, der bei Vertragsschluss zur Schule ging und 18 Jahre alt war. Im Juli 2003 erlitt er einen schweren Autounfall. Der Beschwerdeführer stellte einen Leistungsantrag. Die Beschwerdegegnerin erklärte die Anfechtung des gesamten Vertrages wegen arglistiger Täuschung.
Bei Beantragung des Versicherungsschutzes am 15. März 2002 beantwortete der Beschwerdeführer die Fragen Nr. 3 bis 6 des Fragenkatalogs des Antragsformulars mit „ja“.
Diese Fragen lauteten:
3. „Leiden Sie oder haben Sie in den letzten zehn Jahren gelitten an Tumorerkrankungen, Krankheiten des Herzens oder Kreislaufs, der Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, des Gehirns oder Rückenmarks, der Nerven oder Psyche (z. B. Depressionen), des Bewegungsapparates (z. B. Wirbelsäule, Gelenke), der Haut, der Augen, der Ohren, Stoffwechselerkrankungen oder Allergien? Werden oder wurden Sie in den letzten zehn Jahren wegen der Folgen von Alkoholgenuss oder Drogen beraten oder behandelt?“
4. „Wurden Sie in den letzten fünf Jahren operiert oder wegen eines Unfalls behandelt?“
5. „Nehmen oder nahmen Sie in den letzten fünf Jahren beruhigende, schmerzlindernde oder andere Arzneimittel?“
6. „Haben in den letzten fünf Jahren ambulante oder stationäre Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen durch Heilbehandler (z. B. Ärzte, Heilpraktiker, Psychologen) stattgefunden?“
In Ergänzung der bejahten Fragen informierte der Beschwerdeführer über eine folgenlose Blinddarmoperation im Januar 2002, die operative Entfernung einer Zyste im Unterleib im Juli 1996 (ohne Befund, folgenlos ausgeheilt, beschwerdefrei) sowie einen Magen-Darm-Infekt vom 8. März 2002 (folgenlos ausgeheilt).
Als Heilbehandler, der am besten über die Gesundheitsverhältnisse unterrichtet sei, benannte der Beschwerdeführer den Hausarzt.
Nicht angegeben hatte der Beschwerdeführer Arztbesuche, die die Beschwerdegegnerin im Anfechtungsschreiben vom 11. Dezember 2003 im Einzelnen aufführte. Hauptsächlich stützt die Beschwerdegegnerin die Anfechtung auf folgende Arztbesuche, Beschwerden und Erkrankungen:
- BWS-Syndrom am 6. April 1999,
- Gastritis am 31. Mai 2000, 8. Februar 2001, 10. Mai 2001 und 11. September 2001,
- Bronchitis am 10. Januar 2000 und 12. Februar 2001,
- psychovegetative Erschöpfungszustände am 12. Februar 2001, 10. Mai 2001, 29. Mai 2001, 15. Oktober 2001 und 10. Januar 2002.
Dreimal klagte der Versicherte bei seinem Hausarzt über Schlafstörungen, weshalb dieser ihm in zwei Fällen Schlafdragees verordnete. Im Arztbericht vom 11. November 2003 teilte der Hausarzt mit, dass ein bei ihm dokumentierter Erschöpfungszustand vom 12. Februar 2001 im Rahmen eines viralen Infektes bestand. Die Schlafstörung, über die der Versicherte am 10. Mai 2001 klagte, traten gemeinsam mit Übelkeit und Oberbauchbeschwerden auf. Im Schreiben vom 30. März 2004 erwähnte der Hausarzt bezüglich des Arztbesuches vom 15. Oktober 2001 nur uncharakteristische Abdominalbeschwerden und nicht eine Erschöpfung, im Gegensatz zur Behandlungsliste vom 11. November 2003.
Nach den Unterlagen bestand beim Versicherten keine Arbeits- bzw. Schulunfähigkeit.
Der Beschwerdeführer behauptet, sein Sohn konsultierte den Hausarzt wegen Bagatellbeschwerden bzw. „pubertären Unpässlichkeiten“.
Die Beschwerdegegnerin bestreitet das Vorliegen von Bagatellerkrankungen. Im Anfechtungsschreiben vom 11. Dezember 2003 begründet die Beschwerdegegnerin die Anfechtung mit der „wahrheitswidrigen Verneinung der entsprechenden Fragen nach Krankheiten, Störungen und Beschwerden sowie nach ärztlichen Behandlungen“. Durch das „Verschweigen massiver Vorerkrankungen“ habe der Beschwerdeführer einen Versicherungsschutz angestrebt, den er nicht erhalten hätte.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg.
Der Versicherungsvertrag ist nicht durch Anfechtung der Beschwerdegegnerin gemäß § 22 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beendet worden. Es fehlt an dem Vorliegen des arglistigen Verhaltens durch den Beschwerdeführer. Der Beschwerdegegnerin ist es nicht gelungen, diesen Nachweis zu erbringen.
Gemäß § 22 VVG ist der Versicherer berechtigt, einen Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung über Gesamtumstände anzufechten.
Ein Versicherungsnehmer bestimmt einen Versicherer durch arglistige Täuschung zum Abschluss eines Versicherungsvertrages, wenn er Fragen des Versicherers bei Aufnahme des Versicherungsantrages vorsätzlich unrichtig oder unvollständig beantwortet und dadurch auf die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Versicherungsantrages bewusst Einfluss nehmen will (vgl. OLG Saarbrücken, VersR 1996, 488; NVersZ 2001, 350; NJW-RR 2005, 334).
Zunächst ist festzustellen, dass die Antworten des Beschwerdeführers unvollständig waren. Innerhalb des erfragten Zeitraumes fanden ärztliche Beratungen statt, die er nicht im Antragsformular angegeben hatte. Das trifft auch für die verordneten Schlafdragees (vgl. Frage Nr. 5) sowie die mehrfachen Erkrankungen an Gastritis und Bronchitis (vgl. Frage Nr. 3) zu. Es liegt deshalb diesbezüglich eine objektive Falschbeantwortung vor.
Die Schlafstörungen, die Erschöpfungen sowie die Abdominalbeschwerden hatte der Beschwerdeführer zwar ebenfalls nicht mitgeteilt. Dies war aber auch nicht erforderlich, denn mit der Frage Nr. 3 wurde nicht nach Beschwerden und Störungen gefragt.
Steht wie hier fest, dass der Versicherungsnehmer auf Gesundheitsfragen des Versicherers unvollständig geantwortet hat, so ist für eine berechtigte Anfechtung weiter erforderlich, dass dies im Bewusstsein geschah, auf die Annahmeentscheidung des Versicherers Einfluss nehmen zu wollen. Da es verschiedene Gründe dafür gibt, weshalb Versicherungsnehmer im Antrag objektiv unrichtige oder unvollständige Angaben machen, ist es erforderlich, dass die Täuschungsabsicht feststeht. Für dieses subjektive Element trägt der Versicherer die Beweislast, da er sich auf das Vorliegen des Anfechtungsgrundes beruft.
Aus Art, Umfang und Bedeutung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben kann – insbesondere wenn schwere, chronische oder schadengeneigte Erkrankungen verschwiegen werden – auf den inneren Vorgang geschlossen werden.
Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich, so wie die Beschwerdegegnerin dies zunächst vortrug, eine Tumorerkrankung am Hoden verschwiegen, so hätte die Täuschungsabsicht durchaus nahe gelegen. Sofern dies als Ausgangssachverhalt unterstellt wird, ist die Anfechtungserklärung der Beschwerdegegnerin verständlich. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat sich jedoch herausgestellt, dass der Versicherte nur an einer Zyste litt. Diesen Umstand hatte der Beschwerdeführer in dem Antrag auch vollständig und wahrheitsgemäß angegeben. Die übrigen von der Beschwerdegegnerin als Berechtigung zur Anfechtung genannten Gründe reichen zur Anfechtung nicht aus.
Für einen medizinischen Laien stellen eine Gastritis, Bronchitis, BWS-Beschwerden und Schlafstörungen belanglose gesundheitliche Beeinträchtigungen dar, besonders wenn diese nicht zu einer Krankschreibung führen. Deshalb kommt den verschwiegenen Umständen nicht die Bedeutung zu, dass daraus ein arglistiges Verhalten des Beschwerdeführers geschlossen werden muss.
Auch der nicht angezeigte Arztbesuch vom Januar 2002, der ca. zwei Monate vor Antragstellung wegen Schlafstörungen stattfand, stellt hier kein Indiz für Arglist dar. Denn die Ursache für eine etwaige Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit des Versicherten liegt in einem Verkehrsunfall, der für den Beschwerdeführer nicht absehbar war.
Schließlich ist zugunsten des Beschwerdeführers zu werten, dass er die Zysten-Operation angegeben hatte. Wegen dieser Erkrankung hätte der Beschwerdeführer am ehesten damit rechnen müssen, dass der Versicherer den Versicherungsvertrag nicht zu den angestrebten Konditionen abschließen werde. Weiter spricht für ihn, dass er die Fragen Nr. 3 bis 6 mit „ja“ beantwortete und auch auf Krankheiten und Behandlungen (einschließlich eines Magen-Darm-Infektes kurz vor Antragstellung) hinwies.
Damit ist es der Beschwerdegegnerin nicht gelungen, den ihr obliegenden Beweis des arglistigen Verhaltens zu erbringen.
Der Beschwerdewert liegt über 5.000 EUR. Dementsprechend ist gemäß § 10 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmannes (VomVO) eine unverbindliche Empfehlung auszusprechen.
Der Beschwerdegegnerin war deshalb zu empfehlen, den Eintritt der bedingungsgemäßen Voraussetzungen der Leistungspflicht aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu prüfen und dabei die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung außer Betracht zu lassen.