I.
Die Beschwerdeführerin ist seit dem 18. März 1994 bei der Beschwerdegegnerin unfallversichert. Unter anderem wurde für den Leistungsfall Krankenhaustage- und Genesungsgeld sowie eine Kurkostenbeihilfe vereinbart. Als Vertragsbedingungen gelten neben den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 88) die Zusatzbedingungen für die Kurkostenbeihilfe.
Die Vertragsparteien streiten darum, ob die Beschwerdegegnerin aufgrund eines Unfallereignisses vom 30. April 2003 die Kurkostenbeihilfe von 1.533,88 Euro, abzüglich bereits gezahlten Krankenhaustagegeldes von 358,05 Euro, zu erbringen hat. Am Unfalltag erlitt die Beschwerdeführerin einen Fahrradsturz. Dadurch kam es zu einem Keramikinlaybruch des rechtsseitig im Jahre 2000 implantierten künstlichen Hüftgelenks. Das gesamte Ausmaß der Verletzungen wurde erst im September 2003 erkannt, so dass der operative Eingriff am künstlichen Hüftgelenk erst am 2. Oktober 2003 durchgeführt werden konnte. Dem stationären Krankenhausaufenthalt folgte im unmittelbaren Anschluss ein dreiwöchiger Aufenthalt in der X Klinik vom 15. Oktober 2003 bis zum 4. November 2003. Ob dieser Aufenthalt als Kur oder als Krankenhausaufenthalt zu betrachten ist, wird von den Vertragsparteien unterschiedlich beurteilt.
Die Beschwerdegegnerin steht auf dem Standpunkt, es läge eine Anschlussheilbehandlung in Form eines Krankenhausaufenthalts vor. Eine Kur diene zur Erhaltung und Stärkung des Gesundheitszustandes, während ein Krankenhausaufenthalt auf die Heilung oder Linderung einer Erkrankung ausgerichtet sei. Die X Klinik selbst habe die Behandlung als Anschlussheilbehandlung bezeichnet. Außerdem sei bei der Beschwerdeführerin noch erheblicher Heilbehandlungsbedarf vorhanden gewesen, dem durch entsprechenden Einsatz medizinischen Fachpersonals Rechnung getragen worden sei. Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin teilt diese Einschätzung nicht. Sie trägt vor, es käme bei der Unterscheidung zwischen Kur und Krankenhausaufenthalt allein auf die für die Private Unfallversicherung geltenden versicherungsrechtlichen Regelungen an, nicht aber darauf, wie der Aufenthalt von Medizinern oder dem Kostenträger beurteilt werde. Davon ausgehend, sei der Aufenthalt in der X Klinik aufgrund seiner Ausgestaltung als Kur zu bewerten. Weder habe eine intensive medizinische Betreuung durch medizinisches Fachpersonal stattgefunden, noch habe es zur Behandlung des Einsatzes hoch technisierter medizinischer Geräte bedurft. Den behandelnden Arzt habe sie in den drei Wochen lediglich drei Mal gesprochen. Zudem habe sie ihre freie Zeit gänzlich selbst gestalten können, konnte also beispielsweise ab 16 Uhr, nach Beendigung der Behandlungen, das Klinikgelände ohne weiteres verlassen.
II.
Die Beschwerdeführerin hat gegen die Beschwerdegegnerin einen Anspruch auf Auszahlung der Kurkostenbeihilfe aus dem bestehenden Unfallversicherungsvertrag.
Gemäß Ziffer 10 der Besonderen Bedingungen, die die AUB 88 erweitern, zahlt der Versicherer nach einem Unfall im Sinne des § 1 AUB 88 eine Beihilfe bis zu dem im Versicherungsschein festgelegten Betrag, wenn der Versicherte innerhalb von drei Jahren, vom Unfalltag an gerechnet, wegen der durch das Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen eine Kur von mindestens drei Wochen Dauer durchgeführt hat. Die medizinische Notwendigkeit dieser Kur und der Zusammenhang mit dem Unfallereignis sind durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Diese Nachweise wurden in Form der Behandlungsberichte der X Klinik erbracht. Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung sowie der Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 30. April 2003 werden im Übrigen von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien betreffen ausschließlich die Bewertung des Aufenthalts als Kur- oder Krankenhausaufenthalt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Entscheidungen vom 4. Mai 1983 (IVa ZR 113/81, VersR 1983, 677 ff.) und vom 5. Juli 1995 (IV ZR 320/94, VersR 1995, 1040) die Unterschiede zwischen diesen Behandlungsformen hervorgehoben. Beide Entscheidungen betreffen die Musterbedingungen der privaten Krankenversicherung (MBKK), sind aber wegen der ähnlich liegenden Abgrenzungsproblematik in der privaten Unfallversicherung auch dort zu beachten. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs kommt es – entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdegegnerin – für eine Abgrenzung zwischen Kur- und Krankenhausaufenthalt nicht darauf an, ob die Heilung (dann Krankenhausaufenthalt) oder die Stärkung und Festigung der Gesundheit (dann Kur) Zweck des stationären Aufenthalts ist. Der BGH hat in beiden Entscheidungen deutlich gemacht, dass auch ein Sanatoriums- oder Kuraufenthalt auf einen bestimmten Heilerfolg ausgerichtet sein kann, ohne damit gleich zu einem Krankenhausaufenthalt zu werden. Würde man auf die von der Beschwerdegegnerin vertretene Abgrenzungsmethode zurückgreifen, wäre kaum ein Fall denkbar, in dem eine Kurkostenbeihilfe gewährt werden könnte. Die bedingungsgemäß geforderte Ursächlichkeit zwischen dem Unfallereignis und dem Kuraufenthalt wäre kaum nachweisbar, wenn dieser nur der Festigung der Gesundheit diente, also keinen Behandlungserfolg bezogen auf das Unfallereignis zum Ziel hätte. Auch die Frage, welcher Sozialversicherungsträger leistungspflichtig ist, spielt aus Sicht des BGH für die privatversicherungsrechtliche Zuordnung keine Rolle. Stattdessen können besonders zwei Unterscheidungsmerkmale bedeutsam sein: Die Intensität der medizinischen Betreuung und die Befugnis des Patienten, das Klinikgelände zu Spaziergängen, Ausflügen usw. ohne zuvorige Rückfrage beim Klinikpersonal verlassen zu können.
Ein Krankenhaus dient in der Regel der Behandlung von akuten Krankheiten. Die Patienten werden meist unmittelbar nach der Erkrankung aufgenommen und oft bereits vor der vollständigen Genesung entlassen. Charakteristisch ist vor allem die ständige ärztliche Überwachung des Heilungsverlaufs, insbesondere durch die täglichen Visiten des Arztes (BGH VersR 1983, S. 677 ff.). Bei der Behandlung stehen physikalische und chemische Mittel im Vordergrund. Ein Kur- oder Sanatoriumsaufenthalt hingegen ist für Patienten gedacht, die bereits einen Krankenhausaufenthalt oder eine sonstige Heilbehandlung hinter sich haben, einer weiteren Krankenhausbehandlung nicht mehr bedürfen, jedoch noch nicht völlig wiederhergestellt sind. Im Gegensatz zur Krankenhausbehandlung stellt die Durchführung einer Kur geringere Anforderungen hinsichtlich der Intensität des Einsatzes von medizinischem Personal und an den Einsatz besonderer medizinisch-technischer Geräte. Stattdessen stehen besondere Heilanwendungen – gegebenenfalls unterstützt durch heilklimatisch günstige Vorbedingungen – im Vordergrund, darunter zum Beispiel Ernährungs- oder physikalische Therapien (vgl. BGH VersR 1995, S. 1040 ff.).
Die Beschwerdeführerin hat während ihres dreiwöchigen Aufenthalts diverse therapeutische Leistungen in Anspruch genommen, die durchweg ohne intensivmedizinische Gerätschaften und ohne den Einsatz medizinischen Fachpersonals angeboten werden konnten. Es handelte sich dabei insbesondere um Einzelkrankengymnastik, Bewegungsbäder, Schwellstromtherapie, Moorkneten, Kieseltreten und Ergometertraining. Außerdem besuchte die Beschwerdeführerin diverse Vorträge. Es fand einmal pro Woche eine Chefarztvisite und eine wöchentliche Stationsarztvisite statt. Am 3. November 2003 wurde eine Abschlussuntersuchung durchgeführt. Der Terminkalender, den die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes zu führen hatte, gibt einen recht umfassenden Eindruck über Art und Umfang der Behandlungen. Regelmäßig waren an den Vor- und Nachmittagen ein oder zwei Behandlungstermine anberaumt, dazwischen waren öfters mehrere Stunden Pause, die zur freien Verfügung der Patientin standen. Ich verweise bezüglich der Einzelheiten auf die umfangreichen Schilderungen des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 15. August 2005. Die Beschwerdegegnerin hat die Richtigkeit dieser Schilderungen nicht bestritten, so dass insoweit von einem unstreitigen Sachverhalt ausgegangen wird.
Ein weiteres Merkmal dieses dreiwöchigen Aufenthalts ist die vergleichsweise seltene ärztliche Konsultation. Während in einem Krankenhaus die tägliche Arztvisite üblich und geboten ist, finden sich in dem Terminkalender der Beschwerdeführerin lediglich vier Arztkontakte, nämlich am 17. Oktober, 20. Oktober, 29. Oktober und am 3. November zur Abschlussuntersuchung. Der Umfang der ärztlichen Kontrolle ist damit nicht mit dem eines Krankenhauses vergleichbar.
Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass auch dem Gestaltungsspielraum der Patienten eine große Bedeutung zukommt. Im Ergebnis nimmt der Bundesgerichtshof umso eher eine Kur- oder Sanatoriumsbehandlung statt einer Krankenhausbehandlung an, je freier sich der Patient inner- und außerhalb des Klinikgeländes bewegen kann, sprich umso weniger Reglements er unterworfen ist. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beschwerdeführerin vom 15. August 2005 konnte sie täglich ab 16.00 Uhr, dann waren spätestens alle Anwendungen, Beratungen und Vorträge beendet, das Klinikgelände verlassen. Manche Patienten hätten das Klinikgelände sogar während des kompletten Wochenendes oder bis spät in die Nacht verlassen, ohne dass dies für sie irgendwelche negativen Folgen gehabt hätte.
Bei alldem wird nicht verkannt, dass auch die Beschwerdegegnerin beachtenswerte Argumente und Nachweise vorgebracht hat, die anstatt für eine Kur für einen Krankenhausaufenthalt sprechen könnten. Die X Klinik selbst stellt sich in ihrem Briefkopf nicht als Kureinrichtung, sondern als Rehabilitationsklinik für diverse medizinische Fachgebiete dar. Das auf der rechten Seite des Briefkopfes aufgeführte Leistungsangebot umfasst unter anderem auch Anschlussheilbehandlungen. Als Anschlussheilbehandlung wurde der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Behandlungsbericht der zuständigen AOK und auch im Bericht der Fachärztin der X Klinik bezeichnet. Diese Einschätzungen haben jedoch auf die Beurteilung der Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin keinen Einfluss. Maßgeblich ist nicht die ärztliche oder sozialversicherungsrechtliche Zuordnung der Behandlung, sondern der tatsächliche Behandlungsverlauf, so wie er sich der Beschwerdeführerin darstellte.