I.
Die Beschwerdeführerin unterhält bei der Beschwerdegegnerin eine Familien- und Verkehrsrechtsschutzversicherung und einen Rechtsschutzversicherungsvertrag für Grundstückseigentum und Miete. Zugrunde liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) 75.
Die Beschwerdeführerin hatte die Firma E. mit dem Bau und der Montage eines Vorzeltes für ihren Wohnwagen beauftragt. Hierbei handelt es sich um ein so genanntes Schleusenzelt aus beschichtetem Polyestergewebe mit Metallgestänge, welches an zwei gegenüberliegenden Seiten geöffnet ist. Dieses Vorzelt sollte mit Laminatfußboden sowie Decken- und Wandpaneelen ausgestattet und schließlich an dem (auf einem Dauercampingplatz stehenden) Wohnwagen montiert werden. Es war ein Festpreis von 5.200 Euro vereinbart, auf welchen die Beschwerdeführerin einen Vorschuss geleistet hatte.
Da das Vorzelt von der Firma E. nicht fristgerecht gebaut und montiert wurde, hat die Beschwerdeführerin den Rücktritt vom Vertrag erklärt und den geleisteten Vorschuss zurückgefordert.
Den hierfür beantragten Versicherungsschutz hat die Beschwerdegegnerin verweigert. Sie beruft sich auf die Risikoausschlussklausel des § 4 Abs. 1 k) ARB 75. Hierin heißt es:
„§ 4 Allgemeine Risikoausschlüsse
(1) Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
(…)
- k) die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles stehen.“
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, bei dem Vorzelt handelte es sich um ein Gebäude oder einen Gebäudeteil. Ein Gebäude sei eine selbstständig benutzbare, überdeckte Bauanlage, die von Menschen betreten werden kann. Diese Voraussetzungen erfülle das Vorzelt. Zudem sei aufgrund der zu verwendenden Materialien und der geplanten Ausstattung des Vorzeltes nicht davon auszugehen, dass dieses nur kurzfristig auf dem Dauercampingplatz aufgestellt würde.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg. Die Beschwerdeführerin hat einen Anspruch auf Gewährung von Versicherungsschutz.
Die Entscheidung hängt von der Auslegungsfrage ab, ob es sich bei dem zu bauenden und zu montierenden Vorzelt der Beschwerdeführerin um ein Gebäude oder einen Gebäudeteil handelt. Ist das nicht der Fall, so hat die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Gewährung von Rechtsschutz in dem durch den Versicherungsvertrag einschließlich der ARB 75 geregelten Umfang.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach gefestigter Rechtsprechung so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Bundesgerichtshof [BGH] vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92 -, Versicherungsrecht [VersR] 1993, 957). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an.
Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen – hier die ARB 75 – darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (BGH vom 5. Juli 1995 – IV ZR 133/94 – VersR 1995, 951).
Der Ausdruck Gebäude ist ein Begriff der Rechtssprache (BGH vom 18. März 1992 – IV ZR 87/91 – VersR 1992, 606). Er findet sich zum einen in § 94 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstückes „die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude“, gehören. Zum anderen kommt der Ausdruck auch in § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB vor. Diese Vorschrift regelt die Haftung eines Grundstücksbesitzers nach „Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit dem Grundstück verbundenen Werkes“. Eine eindeutige juristische Definition für ein „Gebäude“ ergibt sich hieraus indes nicht.
Der Ausdruck Gebäude ist auch Bestandteil der allgemeinen Sprache, so dass der Versicherungsnehmer nicht ausschließlich in den Bereich der Rechtssprache geführt wird. Hier wird ein Gebäude oft als Haus bezeichnet.
Gehört der Ausdruck auch der allgemeinen Sprache an und kann der Versicherungsnehmer ihn deshalb als juristischen Begriff mit von der allgemeinen Sprache unterschiedlichem Inhalt nicht erkennen, muss die Bedeutung des Begriffs aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers erschlossen werden (BGH vom 8. Dezember 1999 – IV ZR 40/99 – VersR 2000, 311).
Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers komme ich zu dem Ergebnis, dass das Vorzelt der Beschwerdeführerin kein Gebäude oder Gebäudeteil im Sinne der Risikoausschlussklausel des § 4 Abs. 1 k) ARB 75 ist.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht unter dem Begriff „Gebäude“ Bauwerke aller Art, die von Menschen betreten werden können, dessen räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie beständig und standfest ist. Entscheidend ist die körperliche und bautechnische Beschaffenheit der räumlichen Umschließung. Diese gilt dann als beständig und standfest, wenn der Baukörper und die Bauteile, das heißt die Mauern, Wände, Böden und Decken, aus Baustoffen wie Beton, Steinen, Balken und Ziegeln bestehen. Dabei müssen die Baustoffe und Bauteile zu einer Einheit zusammengefügt sein, die als Ganzes den Charakter eines Bauwerkes bestimmt (vgl. MünchKommBGB/Holch, 4. Aufl., § 94, Rdnr. 19).
Diese Kriterien erfüllt das Vorzelt der Beschwerdeführerin nicht. Die Zelthaut und das stabilisierende Gestänge ist kein standfestes und beständiges Bauwerk, dessen Baukörper aus Bauteilen und Baustoffen zusammengefügt ist. Die Zelthaut ist – wie auch hier – regelmäßig aus Polyestergewebe gefertigt, die von einem Gerüst aus Metall, Kunststoff oder Holz getragen wird. Die räumliche Umschließung der Zelthaut würde auch nicht dadurch standfest und beständig, wenn diese am Himmel und an den Kunststoffseiten mit Paneelen verkleidet werden soll.
Da ein Bauwerk sämtliche der vorgenannten Begriffsmerkmale aufweisen muss um nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als Gebäude angesehen zu werden, kann die Frage unentschieden bleiben, ob ein Vorzelt dann als Gebäude einzustufen ist, wenn in diesem, auf einem eigens aus Kanthölzern erstellten Fundament, ein Laminatfußboden verlegt werden soll. Wie zuvor festgestellt bietet das Vorzelt bereits nicht die notwendige räumliche Umschlossenheit. Damit kann es auch dahinstehen, wie und mit welcher Festigkeit die Paneele untereinander verbunden beziehungsweise ob das Vorzelt dauerhaft auf dem Campingplatz aufgestellt werden sollte.
Der Ansicht der Beschwerdegegnerin, bei dem Vorzelt handele es sich zumindest um einen Gebäudeteil im Sinne der Ausschlussklausel des § 4 Abs. 1 k) ARB 75, kann ich mich ebenfalls nicht anschließen. Ein Gebäudeteil ist jeder selbstständige oder unselbstständige Teil eines Gebäudes, welcher mit diesem in einer baumäßigen Verbindung stehen muss.
Von einer solchen baumäßigen Verbindung ist hier jedoch nicht auszugehen, da nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin das Vorzelt nur lose an dem Wohnwagen verankert werden sollte.