I.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2005 beantragte der Beschwerdeführer, seinen Versicherungsvertrag zum 1. Juni 2005 beitragsfrei zu stellen. Am 17. Mai 2005 antwortete die Beschwerdegegnerin, dass noch keine ausreichenden Mittel zur Bildung einer beitragsfreien Versicherung zur Verfügung stünden. Sie erklärte dem Beschwerdeführer, dass nach den dem Vertrag zugrunde liegenden Produktbedingungen seine Verfügung daher als Kündigung zu behandeln sei und der Vertrag zum 1. Juni 2005 ende, sofern der Beschwerdeführer seine Kündigung nicht innerhalb von zwei Wochen schriftlich zurücknähme. Gleichzeitig teilte sie ihm mit, dass ein Rückkaufswert nicht vorhanden sei.
In § 12 Absatz 6 der Produktbedingungen für die Fondsgebundene Versicherung, die in den Versicherungsvertrag einbezogen worden sind, ist geregelt:
„Haben Sie die vollständige Befreiung von der Beitragszahlungspflicht beantragt und liegt der aktuelle Rückkaufswert Ihrer Versicherung unter 1.000 EUR, so erhalten Sie den Rückkaufswert.“
Am 10. Juni 2005 nahm der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Beitragsfreistellung schriftlich zurück und ermächtigte die Beschwerdegegnerin zum Einzug der Beiträge von seinem Konto. Diese hatte den Vertrag inzwischen zum 1. Juni 2006 abgerechnet und lehnt eine Wiederinkraftsetzung ab.
Der Beschwerdeführer fordert die Fortführung des Versicherungsvertrages.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Der Beschwerdeführer hat zu keinem Zeitpunkt die Kündigung des Vertrages erklärt. Die Beschwerdegegnerin ist auch nicht berechtigt, den Antrag des Beschwerdeführers auf Beitragsfreistellung als Kündigung zu behandeln, denn auf die Produktbedingungen kann sie sich nicht berufen. Das ergibt sich aus § 178 Absatz 2 VVG, wonach sich der Versicherer nicht auf eine Vereinbarung berufen kann, durch welche von den Vorschriften der §§ 174 bis 177 zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder Eintrittsberechtigten abgewichen wird.
- 12 Absatz 6 der Produktbedingungen für die Fondsgebundene Versicherung weicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 174 Absatz 1 VVG ab. § 174 Absatz 1 VVG bestimmt, dass der Versicherungsnehmer jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen kann, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungssumme oder Mindestrente erreicht wird. Wird der entsprechende Mindestbetrag nicht erreicht, so hat der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert zu erstatten, der nach § 176 Abs. 3 und 4 zu berechnen ist.
Nach § 174 Absatz 1 VVG ist eine Beitragsfreistellung erst möglich, wenn ein vereinbarter Mindestwert erreicht ist. Die Formulierung „erreicht“ bedeutet soviel, dass ein bestimmtes Ziel erlangt ist, und setzt daher voraus, dass die Mindestversicherungssumme bzw. die Mindestrente und damit das zugrunde liegende Deckungskapital dauerhaft auf eine bestimmte Höhe angestiegen ist. Diese Interpretation des Wortlautes des § 174 Absatz 1 VVG stimmt auch mit seiner Entstehungsgeschichte überein. Denn vor Inkrafttreten des § 174 Absatz 1 VVG in der aktuellen Fassung hatte das Gesetz den Antrag auf Beitragsfreistellung in § 173 VVG a.F. an eine Mindestlaufzeit von drei Jahren geknüpft. Darin kommt der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass von Beginn einer Lebensversicherung an Rechtssicherheit darüber bestehen soll, ab welchem konkreten Zeitpunkt sie beitragsfrei gestellt werden kann. Da die Interessenlage der am Vertrag Beteiligten unverändert geblieben ist, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 174 Absatz 1 VVG in der aktuellen Fassung von seinen Anforderungen an die notwendige Rechtssicherheit abrücken wollte.
Ein von vornherein kalkulierbarer Ansparprozess ist bei einer kapitalbildenden Lebens- bzw. Rentenversicherung möglich, da sich dort der Vertragswert durch die verzinsliche Ansammlung der Sparanteile kontinuierlich weiterentwickelt. Er kann von dem Versicherer bereits bei Vertragsschluss genau berechnet werden mit der Folge, dass der Versicherer den Zeitpunkt, in dem die Mindestversicherungssumme oder Mindestrente erreicht sein wird, konkret bestimmen kann. Er benennt ihn regelmäßig in der so genannten Garantiewerttabelle, die dem Versicherungsschein beigefügt ist. Für den Versicherungsnehmer ist daher bereits bei Vertragsschluss erkennbar, ab wann er seinen Lebensversicherungsvertrag beitragsfrei stellen kann und bis zu welchem Zeitpunkt ein Antrag auf Beitragsfreistellung zu einer Vertragsbeendigung führt.
Diese Möglichkeit hat er bei einer Fondsgebundenen Versicherung nicht, wenn der Zeitpunkt für die Beitragsfreistellung von der Höhe des Vertragsguthabens abhängig gemacht wird. Bis zum Vertragsende steht die Höhe des Vertragsguthabens nicht fest, denn sie ergibt sich erst aus der Multiplikation der Fondsanteile mit dem zum Abrechnungszeitpunkt aktuellen Wert. Es lässt sich während der Vertragslaufzeit nur ein Augenblickswert ermitteln, der sich wieder verringern kann. Ein kontinuierlicher Anstieg des Vertragsguthabens findet dagegen nicht statt. Einen konkreten Zeitpunkt, bis zu dem der Wunsch nach einer Beitragsfreistellung den Rückkauf der Versicherung zur Folge hat, kann der Versicherer auf dieser Grundlage bei Vertragsschluss noch nicht vorhersagen.
Die Beschwerdegegnerin verwendet in § 12 Absatz 6 der Produktbedingungen für die Fondsgebundene Versicherung die Formulierung „aktueller Rückkaufswert“. Sie bringt damit zum Ausdruck, dass der Zeitpunkt, von dem an eine Beitragsfreistellung möglich ist, wegen seiner Abhängigkeit von dem vorhandenen Vertragsguthaben nicht feststeht und sich während der Vertragslaufzeit ändern kann. Eine konkrete Vorhersage, bis wann ein Antrag auf Beitragsfreistellung die Vertragsauflösung nach sich zieht, ist – anders als es die Regelung des § 174 Absatz 1 VVG erfordert – nicht möglich, so dass allein schon aus diesem Grund der Inhalt von § 12 Absatz 6 der Produktbedingungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 174 Absatz 1 VVG abweicht.
Daher kann sich die Beschwerdegegnerin nicht auf § 12 Absatz 6 der Produktbedingungen für die Fondsgebundene Versicherung berufen mit der Folge, dass es nicht zulässig ist, den Antrag des Beschwerdeführers auf Beitragsfreistellung als Kündigung zu werten. Das hat zur Folge, dass der Versicherungsvertrag ungekündigt fortbesteht. Er besteht gemäß § 12 Absatz 5 der Produktbedingungen für die Fondsgebundene Versicherung auch nicht in beitragsfreiem Zustand, da dafür noch keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen.
Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem Schreiben vom 10. Juni 2005 zum Ausdruck gebracht, dass er die Beitragszahlung fortsetzen möchte. Die Beschwerdegegnerin ist verpflichtet, die Zahlung anzunehmen.
Der Wert der Beschwerde ist die garantierte Erlebensfallsumme, also 19.800,00 Euro. Entsprechend diesem Beschwerdewert ist gemäß § 10 Absatz 3 der Verfahrensordnung eine unverbindliche Empfehlung auszusprechen.