Versicherungsombudsmann e. V. / Entscheidungen / Empfehlung 13625/2006-K
Aus den Gründen:
1) Der Beschwerdeführer hat bei der Beschwerdegegnerin für ein Wohnhaus mit Anbau und Garage eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. Versicherungsschutz besteht unter anderem gegen die wirtschaftlichen Folgen von Brandschäden. Es kam zu einem Brandschaden, bei dem der Anbau zerstört und die Garage schwer beschädigt wurde. Über die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin dem Grunde nach herrscht Einigkeit; Streit besteht über die Entschädigungshöhe. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten den Neuwertschaden für den Anbau einschließlich Restwertgewinnungskosten mit 28.652,00 Euro bemessen. Dieser Betrag wurde von der Beschwerdegegnerin bezahlt. Die Wiederherstellungskosten belaufen sich tatsächlich auf 34.197,52 Euro, so dass der Beschwerdeführer als erste Teilforderung einen Betrag von 5.545,52 Euro geltend macht. Den Neuwertschaden an der Garage bewertete der Sachverständige einschließlich Restwertgewinnungskosten mit insgesamt 22.040,00 Euro. Dem stehen tatsächliche Wiederherstellungskosten von 15.373,58 Euro gegenüber. Die Beschwerdegegnerin zahlte diesen Betrag, wogegen sich der Beschwerdeführer gleichermaßen wendet. Als zweite Teilforderung begehrt er die Differenz zwischen Wiederherstellungskosten und Neuwertbemessung in Höhe von 6.666,42 Euro als Nachzahlung.
2) Ein Anspruch des Beschwerdeführers über den für die Anbauten ermittelten Neuwert von 28.652,00 Euro hinaus besteht nicht. Der Versicherer leistet aus diesem Gebäudeversicherungsvertrag in Form einer Neuwertversicherung. Die Höhe des Schadens, den der Versicherer zu ersetzen hat, richtet sich somit nach dem gutachtlich bemessenen Neuwertschaden.
3) Bezogen auf die durch den Brand beschädigte Garage hat die Beschwerde Erfolg. Dem Beschwerdeführer steht für die notwendigen Reparaturkosten eine Versicherungsleistung in Höhe von insgesamt 19.000 Euro zuzüglich der gezahlten Mehrwertsteuer zu.
Die Beschwerdegegnerin beruft sich bei der Begrenzung auf die von ihr gezahlten tatsächlichen Kosten auf Ziffer 12.8 der dem Vertrag zugrunde liegenden Wohngebäudeversicherungsbedingungen (WGB). Danach heißt es:
„Den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) erwerben Sie nur, soweit und sobald Sie innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellen, dass Sie die Entschädigung verwenden werden, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen.“
Es ist unstreitig, dass der Beschwerdeführer die Garage in gleicher Art und Zweckbestimmung wiederhergestellt hat. Dazu wendete er geringere als vom Sachverständigen kalkulierte Kosten auf. Dies hat seinen Grund darin, dass der Beschwerdeführer Fremdleistungen günstiger erhalten und zudem in erheblichem Umfang Eigenleistungen erbracht hat. Außerdem nutzte er einen abweichenden Wiederherstellungsweg. Dadurch blieben die tatsächlichen Wiederherstellungskosten insgesamt 6.666,42 Euro unter den vom Sachverständigen ermittelten.
Versicherungsbedingungen sind in ständiger Rechtsprechung nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen (vgl. z. B. Bundesgerichtshof Urteil vom 26.9.2001 (IV ZR 220/00), VersR 2001,1502 unter Abschnitt II, 2). Die Regelung in Ziffer 12.8 WGB in der vorliegenden Alternative der erfolgten Wiederherstellung wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer dahingehend verstehen, dass die versicherte Sache in gleicher Art und Zweckbestimmung wiederhergestellt werden muss, um die vollen ermittelten Wiederherstellungskosten zu erhalten. Die nach Meinung der Beschwerdegegnerin darin enthaltende Beschränkung auf die tatsächlichen Wiederherstellungskosten kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer der Bedingung nicht entnehmen. Dies ergibt sich schon aus der Formulierung „soweit (…) Sie (…) sicherstellen, dass Sie die Entschädigung verwenden werden (…)“: Daraus ergibt sich, dass zur Fälligkeit der Versicherungsleistung die Wiederherstellung durch den Einsatz der Entschädigung gesichert sein muss. Da schon die Sicherstellung der Wiederherstellung ausreicht, um die volle Entschädigungsleistung fällig werden zu lassen, ohne dass ein Verfahren zur nachfolgenden Kostenprüfung oder gar Rückzahlung nicht verbrauchter Mittel vorgesehen ist, versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Bedingung dahingehend, dass er die Entschädigungsleistung zwar zweckgebunden einsetzen muss, nicht aber, dass sie ihm nur in der Höhe zusteht, in der die tatsächlichen Kosten entstanden sind.
Das gleiche Ergebnis folgt aus dem in der Wohngebäudeversicherung geltenden Grundsatz der abstrakten Schadenberechnung (vgl. allgemein Martin, Sachversicherungsrecht Abschnitt R III 11). Demnach werden die Preise zugrunde gelegt, die am Versicherungsort oder in der Nähe des Versicherungsortes ansässige und tätige Bauhandwerker berechnen. Es kommt infolgedessen nicht darauf an, welche Reparaturkosten die Beseitigung des Schadens bei einem Versicherungsnehmer tatsächlich verursacht. Fallen höhere Kosten an, gehen sie zu Lasten des Versicherungsnehmers, Einsparungen wiederum kann der Versicherungsnehmer in Anspruch nehmen. Werden wie hier die Kosten gutachtlich bemessen, kann der Versicherungsnehmer Einsparungen beispielsweise dadurch erzielen, dass er die Reparatur durch andere preiswertere Handwerker oder durch Eigenleistung durchführt. Rechtsprechung und Schrifttum sehen darin keinen Verstoß gegen das Bereichungsverbot des § 55 Versicherungsvertragsgesetz (vgl. z. B. Oberlandesgericht Hamm, Zeitschrift Versicherungsrecht 1977, 735; Horst Dietz, Kommentar zur Gebäudeversicherung, Abschnitt R Rdnr. 1.3.3 auf Seite 391; Prölss/Martin § 55 VVG Rdnr. 51).