I.
Der 34-jährige Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung des Versicherers, die für den Fall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit vereinbarten Leistungen zu erbringen.
Für den Beschwerdeführer besteht seit 1997 bei der Beschwerdegegnerin ein Rentenversicherungsvertrag mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ). Der Versicherungsvertrag beinhaltet eine Leistungsausschlussklausel für Schäden bzw. Veränderungen im Bereich der linken Schulter und einer Kreissägenverletzung am rechten Mittelfinger (Amputation des Endglieds).
Der Beschwerdeführer erlernte den Beruf eines Schreiners und arbeitete nach der Gesellenprüfung seit 1989 als angestellter Küchenmonteur. Im Oktober 2002 traten erstmals Beschwerden im Bereich der rechten Schulter auf. Insbesondere bei Überkopfarbeiten spürte der Beschwerdeführer eine zunehmende Instabilität mit schmerzhaften (Sub)-Luxationsereignissen. Im Januar 2003 verschlimmerten sich die Schmerzen des rechten Schultergelenks derart, dass der Beschwerdeführer ab 7. Januar 2003 arbeitsunfähig wurde. Im März 2003 fand eine arthroskopische hintere Kapselraffung und Labrumrefixation mit zwei Ankern und eine Kapselschrumpfung der hinteren Gelenkkapsel statt. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Der Beschwerdeführer ging davon aus, künftig seine Tätigkeit fortsetzen zu können. Etwa drei Monate nach Abschluss der Nachbehandlung trat eine Belastbarkeit der rechten Schulter trotz einer subjektiv besseren Stabilität nicht ein. Die Arbeitsunfähigkeit setzte sich ununterbrochen fort.
Im September 2003 stellte der Beschwerdeführer einen Leistungsantrag. Im Juni 2004 nahm der Beschwerdeführer eine Umschulung zum Bürokaufmann auf, die voraussichtlich im Sommer dieses Jahres endet.
Zur Klärung der Frage, welcher Grad der Berufsunfähigkeit als Küchenmonteur sowie für die von der Beschwerdegegnerin in Erwägung gezogenen Verweisungstätigkeiten vorliegt, gab die Beschwerdegegnerin die Erstattung eines orthopädischen Gutachtens in Auftrag. Gleichzeitig wurde der Gutachter gebeten, den Beschwerdeführer nach dessen konkreten Teiltätigkeiten als Küchenmonteur zu befragen.
Die Gutachter kommen im Dezember 2003 zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer als Küchenmonteur aufgrund der Schultergelenkinstabilität (rechts) zu 80 Prozent berufsunfähig ist. Des Weiteren sind Überkopfarbeiten sowie ein Heben und Tragen von mehr als 20 kg nicht möglich. Mit einer Wiederherstellung der Schultergelenkstabilität und einer Beschwerdefreiheit rechnen die Gutachter nicht.
Die Beschwerdegegnerin lehnt Leistungen ab. Sie möchte den Beschwerdeführer auf die Tätigkeiten eines Schreiners für Kleinmöbel und Holzspielzeug sowie eines Fertigungskontrolleurs verweisen.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg. Der Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf die vereinbarten Berufsunfähigkeitsleistungen, denn nach der hier festgestellten Sach- und Rechtslage ist eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Beschwerdeführers gegeben.
- Gemäß § 2 Abs. 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden „Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ (BB-BUZ) liegt eine vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Nach § 1 Abs. 1 BB-BUZ ist die Beschwerdegegnerin zur Leistung verpflichtet, wenn der Beschwerdeführer zu mindestens 50 % berufsunfähig ist.
Der Beschwerdeführer ist in seinem bisher ausgeübten Beruf als Küchenmonteur zu mehr als 50 % berufsunfähig. Dies ist aufgrund des Gutachtens unstreitig geworden. Die Gutachter haben eine 80 %ige Berufsunfähigkeit im Beruf des Küchenmonteurs festgestellt. Dabei wurde die bereits vor Vertragsschluss bestehende Erkrankung der linken Schulter außer Betracht gelassen, weil diese vom Versicherungsschutz ausgeschlossen war. Die Beschwerdegegnerin hat gegen diese Feststellungen im Gutachten auch keine weiteren Tatsachen vorgebracht.
- Die Parteien streiten darüber, ob der Beschwerdeführer auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann, die er aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten möglicherweise noch ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Indessen ist es der Beschwerdegegnerin nicht gelungen, solche Tätigkeiten aufzuzeigen.
- a) Mit ihrem Schreiben vom 14. Juli 2005 meint die Beschwerdegegnerin zwar, sie brauche keine Verweisungsberufe aufzuzeigen und deren etwaige Anforderungen auch nicht zu konkretisieren, solange der Beschwerdeführer selbst nicht substantiiert dargelegt habe, wie seine konkrete Berufsausübung in der Zeit vor Beginn der behaupteten Berufsunfähigkeit im Einzelnen ausgesehen habe. Dieser Rechtsauffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Sie berücksichtigt aber nicht die Besonderheit des vorliegenden Falles. Die von der Beschwerdegegnerin beauftragten Gutachter haben den Beschwerdeführer ausdrücklich und konkret nach seiner Tätigkeit als Küchenmonteur befragt. Dies war im Übrigen auch sachdienlich, da sie nur so beurteilen konnten, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner körperlichen Beschwerden die Tätigkeit eines Küchenmonteurs noch ausüben konnte oder nicht. Die Gutachter haben die Darstellung des Beschwerdeführers zu den Anforderungen seiner Tätigkeit im Gutachten auch festgehalten und diese Angaben der Beurteilung zu Grunde gelegt. Das Gutachten liegt der Beschwerdegegnerin – wie aus dem Eingangsstempel ersichtlich – seit dem 8. Dezember 2003 vor. Ihr sind also die erforderlichen Tatsachen, die eine Beurteilung zu einem Verweisungsberuf ermöglichen, seit langem bekannt. Wer aber die erforderlichen Kenntnisse mittelbar von dem Versicherungsnehmer erhalten hat, kann sich nicht darauf berufen, dass er sie von ihm nicht unmittelbar erhalten hat.
- b) Die Argumentation der Beschwerdegegnerin scheint auch mehr verfahrenstechnischen Charakter zu haben. Denn sie hat sich im Ombudsmannverfahren konkret auf zwei Verweisungstätigkeiten berufen. Dass sie diese nur beispielhaft genannt hat, mindert die Beachtlichkeit der Verweisung nicht. Allerdings dürfte die Darstellung der Beschwerdegegnerin zu den Anforderungen an die Verweisungstätigkeiten und zu der Vergleichbarkeit mit dem bisher vom Beschwerdeführer ausgeübten Beruf den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen nicht genügen (vgl. VersR 1994, 1095; r+s 1995, 78; VersR 1999, 1134). Darauf kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Falles aber nicht an.
- Auch ohne hinreichend konkretisierten Vortrag der Beschwerdegegnerin ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht auf die von der Beschwerdegegnerin angeführten Tätigkeiten verwiesen werden kann.
- a) Die Beschwerdegegnerin möchte den Beschwerdeführer auf den Beruf eines Schreiners/Möbelschreiners verweisen. Allerdings meint die Beschwerdegegnerin nicht die allgemeine Tätigkeit dieses Berufsbildes. Sie hat vielmehr die Beschreibung einer besonderen Ausprägung dieses Berufes vorgetragen (Schr. v. 3.6.2004). In der von der Beschwerdegegnerin dargestellten Ausprägung umfasst diese Tätigkeit zum einen Planung, Zuschnitt und Herstellung von Kleinmöbeln, Holzspielzeug für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Zum anderen soll die Tätigkeit den Entwurf und die Fertigung stilgerechter und kostbarer Bilderrahmen verschiedener Stilrichtungen aus Holz, Kunststoff und ggf. Metallen umfassen.
Diese von der Beschwerdegegnerin beschriebene Tätigkeit entspricht im Wesentlichen dem Beruf eines Holzspielzeugmachers. Dieser ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung. Er ist keinem sonstigen Berufsbild zugeordnet. Die Ausbildung dauert drei Jahre (vgl. Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit, Berufenet – http://infobub.arbeitsagentur.de/berufe). Da der Beschwerdeführer eine solche Ausbildung nicht hat und seine Ausbildung als Schreiner ohne jede Spezialisierung auch mit dem Tätigkeitsbild eines Holzspielzeugmachers nicht zu vergleichen ist, kann die Beschwerdegegnerin sich hierauf zur wirksamen Verweisung auch nicht berufen. Nur ergänzend sei hinzugefügt, dass lediglich die Anfertigung von Bilderrahmen keine Tätigkeit ist, die einem allgemeinen Beruf entspricht und allenfalls eine Nischentätigkeit darstellt, auf die die Beschwerdegegnerin sich zur Verweisung nicht stützen kann.
- b) Auch mit dem weiteren Verweisungsversuch kann die Beschwerdegegnerin keinen Erfolg haben. Sie hat vorgetragen, der Beschwerdeführer könne die Tätigkeit eines Funktions- und Fertigungskontrolleurs ausüben. Diese umfasse in der Holz verarbeitenden Industrie die Kontrolle der Funktionsgenauigkeit, Maßgenauigkeit, Oberflächenqualität usw. der Produkte unter Berücksichtigung betriebstypischer Besonderheiten.
Es mag sein, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Beschwerden diese Arbeiten körperlich noch ausführen könnte. Darauf allein kommt es aber nicht an. Die Verweisung scheitert vielmehr daran, dass dem Beschwerdeführer die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Ausübung dieser Tätigkeit fehlen. Er ist nach den Vertragsbedingungen auch nicht verpflichtet, sich diese anzueignen.
Nach den Berufsinformationen der Bundesanstalt für Arbeit (a.a.O.) ist für die Tätigkeit als Fertigungskontrolleur eine handwerkliche, technische oder naturwissenschaftliche Ausbildung notwendig. Zwar hat der Beschwerdeführer eine handwerkliche Ausbildung als Schreiner. Damit allein kann er die Tätigkeit eines Fertigungskontrolleurs aber nicht ausüben. Zunächst sind Berufserfahrungen in der jeweiligen Branche notwendig. Schon daran fehlt es dem Beschwerdeführer, denn er hat sofort nach Beendigung seiner Schreinerlehre als Küchenmonteur gearbeitet. Erforderlich sind ferner Kenntnisse in der Durchführung, Auswertung und in der Dokumentation der Messungen. Diese können aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen von dem Beschwerdeführer nicht erwartet werden. Auch sollten Fertigungskontrolleure mit entsprechenden Standardmessmitteln und der dazugehörigen Software umgehen können und die gängigen Prüfverfahren beherrschen. Davon kann bei einem Küchenmonteur, der lediglich eine Schreinerlehre hat, keine Rede sein.
- Nach § 1 Abs. 3 BB-BUZ entsteht der Anspruch auf die Versicherungsleistung mit Ablauf des Monats, indem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Wird die Berufsunfähigkeit später als drei Monate nach ihrem Eintritt schriftlich mitgeteilt, so entsteht der Anspruch auf die Versicherungsleistung erst mit Beginn des Monats der schriftlichen Mitteilung.
Ein Versicherer kann sich aber nicht auf die Versäumung der Ausschlussfrist berufen, wenn den Versicherungsnehmer kein Verschulden trifft (BGH, Urteil v. 2.11.1994 – IV ZR 324/93 – VersR 1995, 82). Nach der festgestellten Sachlage konnte der Beschwerdeführer aufgrund des gesundheitlichen Verlaufs seiner Schultererkrankung rechts und der medizinischen Maßnahme im März 2003, die komplikationslos verlief und eine Besserung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erwarten ließ, zu Recht davon ausgehen, dass er nicht von Berufsunfähigkeit bedroht ist. Der Beschwerdeführer hat somit seine Berufsunfähigkeit ohne Verschulden verspätet angezeigt, so dass die Beschwerdegegnerin verpflichtet ist, ihre Leistungen ab Eintritt der Berufsunfähigkeit, also seit dem 1. Februar 2003, zu erbringen.