Aus den Gründen des an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers gerichteten Schreibens:
Mit der Beschwerde möchte Ihr Mandant erreichen, dass sein Rechtsschutzversicherer für die Interessenvertretung gegen eine im Juni 2013 eingeworfene Kündigungserklärung des Arbeitgebers vom Februar 2012 Versicherungsschutz erteilt. Der Arbeitgeber hatte bereits im Februar 2012 versucht, diese Kündigung zuzustellen.
Ihr Mandant war bis Ende März 2012 rechtsschutzversichert.
Der Versicherer verweigert eine Deckungszusage für die Interessenwahrnehmung gegen die Kündigung, da der Rechtsschutzfall nach dem Ende des Versicherungsvertrages eingetreten sei. Hiergegen wenden Sie sich für Ihren Mandanten und tragen vor, dass es nicht auf den Zeitpunkt des (vermeintlichen) Zugangs der Kündigung des Arbeitgebers ankomme, sondern der entscheidende Rechtsschutzfall bereits mit dem ersten Zustellungsversuch der Kündigung im Februar 2012 eingetreten sei.
Ich habe die Beschwerde anhand der mir mitgeteilten Informationen und Unterlagen eingehend geprüft. Leider muss ich Ihrem Mandanten mitteilen, dass ich der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen kann. Dies möchte ich auch gern näher begründen.
Übereinstimmend gehen Sie und der Versicherer davon aus, dass bereits die Kündigungserklärung vom Februar 2012 – über deren Zugang sich die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten – einen Rechtsschutzfall im Sinne des § 4 Abs. 1 c) ARB darstellt. Für die gegen diese Kündigung eingereichte Kündigungsschutzklage erteilte der Versicherer Kostenschutz. Noch vor Abschluss dieses Rechtsstreites versuchte der Arbeitgeber Ihres Mandanten im Juni 2013 (fast 1 ½ Jahre nach dem ersten Zustellungsversuch) erneut, die Kündigungserklärung vom Februar 2012 zuzustellen. Gegen diese Kündigung reichten Sie eine separate Kündigungsschutzklage ein.
Liegen mehrere Rechtsschutzfälle vor, ist § 4 Abs. 2 Satz 2 ARB zu beachten. Diese Vorschrift legt den Zeitpunkt des Eintritts des Rechtsschutzfalles auf den ersten Verstoß, sofern er die rechtliche Auseinandersetzung adäquat verursacht hat. Voraussetzung ist jedoch, dass schon der erste Verstoß, für sich allein betrachtet, nach der Lebenserfahrung geeignet gewesen war, den Rechtskonflikt auszulösen (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, ARB-Kommentar, 8. Aufl. § 4 ARB 2000 Rdnr. 123). Dabei kommt es entscheidend auf die Gesamtumstände des einzelnen Falles an. Haben jedoch mehrere rechtliche Verstöße bei wertender Betrachtung je verschiedene rechtliche Auseinandersetzungen (Streitgegenstände) ausgelöst, dann muss jeder dieser Verstöße im versicherten Zeitraum eingetreten sein. Dies gilt auch dann, wenn die verschiedenen Streitgegenstände tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen.
Nach dieser Maßgabe vermag ich mich Ihrer Ansicht leider nicht anzuschließen, dass der Zeitpunkt des Zugangs der zweiten Kündigung unerheblich sei.
Nach den mir übermittelten Unterlagen zum zweiten Kündigungsschutzverfahren steht für mich nicht mit letzter Sicherheit fest, dass es sich um einen einheitlichen Geschehensablauf handelt, der es rechtfertigt, die beiden Zustellungsversuche der Kündigung derart zu verbinden, dass es für die zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalles auf den vermeintlichen Zugang der ersten Kündigung ankäme.
Zwischen beiden Kündigungen liegen fast 1 ½ Jahre. Dieser lange Zeitraum lässt vermuten, dass der Arbeitgeber eine neue Kündigungsentscheidung getroffen hat. Die Interessenwahrnehmung gegen die zweite Kündigung betrifft einen neuen Streitgegenstand. Es werden zwei separate Kündigungsschutzprozesse geführt. Im zweiten Kündigungsschutzprozess geht es nach den mir vorliegenden Informationen allein um die Frage, ob die Kündigung im Juni 2013 wirksam zugestellt wurde. Dies hat eine neue rechtliche Auseinandersetzung ausgelöst.
Selbst wenn sich die Beweggründe des Arbeitgebers bei dem zweiten Zustellungsversuch der Kündigung nicht verändert haben sollten, so traf er doch viele Monate später eine neue Unternehmerentscheidung. Allein diese zweite unternehmerische Entscheidung ist bei der Frage zu bewerten, ob die Kündigung, die im Juni 2013 erneut versucht wurde zuzustellen, wirksam ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen (BAG, Urteil vom 27.11.2003 – 2 AZR 48/03 –, NZA 2004, 477). Überdies scheint es in dem zweiten Kündigungsschutzprozess allein um die Frage gegangen zu sein, ob der Arbeitgeber die Kündigung wirksam zugestellt hat.
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, ich kann Ihre Bedenken in diesem besonderen Fall gut nachvollziehen. Gleichwohl führt dies nicht dazu, dass der Versicherer für einen Rechtsschutzfall, der nach dem Ablauf des Versicherungsvertrages eingetreten ist, eine Deckungszusage erteilen muss.
Ich bedauere, Ihrem Mandanten keine erfreulichere Nachricht übermitteln zu können und beende das Ombudsmannverfahren.