I.
Zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beschwerdegegnerin besteht eine Wohngebäudeversicherung, die unter anderem auch Leitungswasserschäden umfasst. Die Beschwerdeführerin gehört der Wohnungseigentümergemeinschaft an. Sie reichte eine Vollmachtsurkunde zur Akte, die sie zur alleinigen Beschwerdeführung bevollmächtigt.
Gegenstand der Beschwerde ist ein Leitungswasserschaden, der am 15. September 2020 entdeckt wurde. Aufgrund des Schadenausmaßes war das Sondereigentum der Beschwerdeführerin für die Zeit der Instandsetzungs- und Reinigungsarbeiten unbewohnbar. Die Beschwerdeführerin verbrachte die erste Zeit vom 15. September bis zum 11. Oktober 2020 in einer Ersatzwohnung, für die ihr 2.123,00 Euro in Rechnung gestellt wurden. Für den weiteren Zeitraum bis zur Beseitigung aller Schäden und bis zum Abschluss der Reinigungsarbeiten am 11. Februar 2021 kam die Beschwerdeführerin wechselweise bei zwei Freunden unter, wofür sie jeweils eine Pauschale von 20 Euro pro Tag bezahlt habe. Die Beschwerdeführerin machte diese Teilforderung des im Übrigen regulierten Gesamtschadens gleichzeitig gegenüber ihrem Hausratversicherer und der Beschwerdegegnerin geltend. Der Hausratversicherer bot den Betrag von 553,00 Euro an, was einem Zeitraum von 7 Tagen entspricht. Er begründete dies damit, dass dies der Zeitraum sei, der auf die Unbewohnbarkeit durch den Hausratschaden zurückzuführen sei. Außerdem schlug er vor, den über die Leistungspflicht des Gebäudeversicherers von 100 Tagen hinausgehenden Zeitraum von Tagen mit einem Pauschalbetrag von 600,00 Euro abzugelten. Diesen Vergleichsvorschlag nahm die Beschwerdeführerin an, so dass ihr von dem Hausratversicherer aufgrund des Schadens insgesamt 1.153,00 Euro Unterbringungskosten erstattet wurden. Aus der Rechnung für die Ersatzwohnung in Höhe von 2.123,00 Euro ist damit abzüglich der hierauf durch den Hausratversicherer geleisteten 553,00 Euro noch ein Betrag von 1.570,00 Euro offen, den die Beschwerdeführerin gegenüber der Beschwerdegegnerin weiterverfolgt. Diese lehnt eine Leistungspflicht ab und verweist auf § 9 Nr. 9 Satz 4 der „Allgemeinen Bedingungen zur Wohngebäudeversicherung (DC-VGB 2012 Wohneinheitenmodell)“.
Darin heißt es:
„Ein Leistungsanspruch besteht nur, sofern nicht aus einer bestehenden Versicherung Ersatz geleistet werden kann (subsidiäre Deckung).“
Die Beschwerdegegnerin argumentiert, die Klausel greife ein, da der Hausratversicherer zur vollständigen Übernahme der Unterbringungskosten verpflichtet sei. Die Restforderung müsse daher bei diesem geltend gemacht werden.
II.
Zugunsten der Beschwerdeführerin besteht gegenüber der Beschwerdegegnerin ein Anspruch auf Übernahme der offenen Unterbringungskosten in Höhe von 1.570,00 Euro. Die Beschwerdegegnerin kann sich nicht erfolgreich auf die Subsidiärwirkung des § 9 Absatz 9 Satz 4 DC VGB 2012 berufen.
- Versicherungsbedingungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 6. Juli 2016 – IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51 Rn. 17 m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Da nach der Klausel nur dann Versicherungsschutz besteht, sofern „nicht aus einer bestehenden Versicherung Ersatz geleistet werden kann“, wird sich der durchschnittliche Versicherungsnehmer fragen, wann dies der Fall ist. Sichtet er § 9 Nr. 9 DC VGB 2012, findet er hierzu keine Anhaltspunkte. Er wird sich daher am Wortlaut orientieren und dadurch versuchen, den erkennbaren Sinnzusammenhang zu ermitteln. Die Formulierung lautet „geleistet werden kann“ und nicht „geleistet wurde“. Daher kommt es nicht nur auf tatsächliche Zahlungen an. Daraus wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer schließen, dass dann aus einer bestehenden Versicherung Ersatz geleistet werden kann, wenn ein entsprechender Anspruch besteht. Nur dann „kann“ im wohlverstandenen Sinn der andere Versicherer leisten.
Zu der Frage, wie das Bestehen eines solchen Anspruchs festzustellen ist, finden sich in der Klausel keine Angaben. So könnte bereits eine rechtlich vertretbare Leistungsablehnung des anderen Versicherers ausreichen oder aber gefordert werden, dass der Versicherungsnehmer diese Leistungsablehnung gerichtlich überprüfen lassen muss, möglicherweise über mehrere Instanzen bis hin zu einer rechtskräftigen Entscheidung. Die Regelung bezweckt für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar einen Ausfallanspruch für den Fall, dass sein Schaden nicht von einem anderen Versicherer ausgeglichen wird. Der Gebäudeversicherer will somit nicht in jedem Fall leisten. Besteht zugleich Versicherungsschutz bei einem anderen Versicherer, dann soll dieser die Regulierung übernehmen. „Kann“ der andere Versicherer jedoch nicht leisten, so die Überlegungen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, will der Gebäudeversicherer nicht, dass er auf dem Schaden „sitzen bleibt“. Diese subsidiäre Haftung hat der Versicherer in der Klausel für den Versicherungsnehmer hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Der Versicherungsnehmer entnimmt daher § 9 Nr. 9 Satz 4 DC VGB 2012, dass ihn der Gebäudeversicherer vor einem finanziellem Schaden schützen will, falls kein anderweitiger Ersatz eines Versicherer erlangt werden kann.
2. Es würde diese Schutzfunktion aus Sicht des Versicherungsnehmers entwerten, wenn er im Streitfall zunächst den anderen Versicherer auf Leistung verklagen müsste. Die auch für einen versicherungs- und prozessrechtlichen Laien erkennbare Folge wäre es, ein Kostenrisiko einzugehen und ein möglichweise langwieriges und vom Ausgang her ungewisses Gerichtsverfahren zu führen. Hinzukäme, dass sein Anspruch gegen den Gebäudeversicherer erst dann fällig wäre, wenn er den Prozess gegen den anderen Versicherer rechtskräftig verloren hätte. Zwar erhielte er dann die Leistung nach § 9 Nr. 9 Satz 4 DC VGB 2012; demgegenüber können jedoch die Rechtsverfolgungskosten weitaus höher sein. Vorliegend wäre, ein Unterliegen unterstellt, dies wegen des vergleichsweise geringen Restschadens tatsächlich der Fall. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird der Klausel, die ihn erkennbar vor finanziellem Schaden schützen will, daher nicht entnehmen, dass die Leistungspflicht aus § 9 Nr. 9 Satz 4 DC VGB 2012 voraussetzt, dass zuvor eine gerichtliche Klärung erforderlich ist. Er wird vielmehr davon ausgehen, dass laienhafte Anspruchsanmeldung und -verfolgung, die vom anderen Versicherer abgelehnt werden, genügt, um die Leistungspflicht des Gebäudeversicherers auszulösen.
3. Der Hausratversicherer hatte hier zunächst jegliche Übernahme der Unterbringungskosten mit der Begründung abgelehnt, nur wenn ein Versicherungsfall in der Hausratversicherung vorliege, käme eine Kostenübernahme in Betracht. Der Hausratversicherer bezog sich dabei auf Ziffer 49 der besonderen Bedingungen zur Hausratversicherung, wo es heißt „… sofern die Wohnung aufgrund eines Hausratschadens unbewohnbar ist.“ Außerdem bezog sich der Hausratversicherer auf Urteile des Amtsgerichts Westerstede vom 13. Dezember 2017 (AZ.: 21 C 598/17), des Landgerichts Itzehoe vom 9. August 2017 (AZ. 3 O 269/16) sowie des Landgerichts Hannover vom 11. Oktober 2018 (AZ. 6 O 157/16). Diese Urteile bestätigen die Rechtsauffassung des Hausratversicherers. Dem steht die auch von der Beschwerdegegnerin vertretene Rechtsmeinung entgegen, dass zwar Folgeschäden nicht zum Inhalt der Leistungspflicht eines Versicherers gehören, etwas anderes jedoch gilt, wenn Schäden adäquat-kausale Folge der versicherten Gefahr sind. Werden beispielsweise Sachen durch Staub, Schimmel oder Bakterien kontaminiert, stellen diese Sachschäden versicherte Folgeschäden im Rahmen der Leitungswasserversicherung dar (so z. B. OLG Köln, Urt. v. 12. Oktober 2010 (AZ 9 U 64/10, r+s 2011, 210; Bruck/Möller-Jula, Kommentar zum Versicherungsrecht, 9. Auflage, VHB 2010 A § 12, Rn. 11).
4. Vorliegend ist nicht zu entscheiden, welcher Auffassung der Vorzug zu geben ist. Es genügt hier für den Anspruch nach § 9 Nr. 9 Satz 4 DC VGB 2012, dass die Beschwerdeführerin sich um Erlangung des aus Sicht der Klausel vorrangigen Anspruchs (erfolglos) bemüht hat. Aus der Korrespondenz ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass die Beschwerdeführerin leichtfertig auf Ansprüche verzichtet hat. Wie zuvor dargestellt, handelt es sich um eine umstrittene Rechtsfrage. Beide Versicherer vertreten unterschiedliche Rechtsauffassungen, für die sie Rechtsprechung anführen können. Der Beschwerdeführerin ist nicht zumutbar, die Rechtsposition, die sich die Beschwerdegegnerin zu Eigen macht, zu vertreten und – vermeintliche – Ansprüche weiter zu verfolgen. Dies wäre Sache der Beschwerdegegnerin. Sofern die Beschwerdegegnerin der Auffassung ist, dass der andere Versicherer die Leistung zu Unrecht ablehnt, steht es ihr frei, nach eigener Leistung den nach § 86 Abs. 1 VVG übergegangenen Anspruch selbst gegen den anderen Versicherer geltend zu machen. Es entspricht jedenfalls nicht dem Sinn der Klausel, diese Auseinandersetzung mit der eigenen Vertragspartnerin zu führen. Dies würde, wie bereits ausgeführt, die Versicherungsleistung entwerten. Die Subsidiärleistungspflicht der Beschwerdegegnerin besteht daher nach Aktenlage, weshalb die Beschwerdegegnerin zur Leistung zu verpflichten war.