I.
Die Beschwerdeführer (Ehegatten) machen eine Falschberatung geltend, die zum Abschluss zweier Versicherungsverträge geführt haben soll. Sie verlangen Ersatz des ihnen entstandenen Schadens.
- Herr F., ein ausgeschiedener Mitarbeiter eines ehemaligen Vertriebspartners der Beschwerdegegnerin, hatte mit den Beschwerdeführern am 22. Juli 2009 ein Beratungsgespräch geführt. Ehemaliger Vertriebspartner der Beschwerdegegnerin war die C-AG, die als Versicherungsvertreterin mit Erlaubnis nach § 34d Absatz 1 GewO auftrat. In der Folge wurden ein Basisrentenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer XXX sowie ein Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer YYY vermittelt.
- Der Basisrentenversicherungsvertrag wurde von der Beschwerdeführerin zum 1. August 2009 mit einem monatlichen Beitrag in Höhe von 102,74 Euro beantragt, die Aufschubzeit sollte sechzehn Jahre betragen. Die Beschwerdeführerin ist Kindergartenhelferin und war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses fünfzig Jahre alt.
- Der Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag wurde von dem Beschwerdeführer zum 1. August 2009 mit einem monatlichen Beitrag in Höhe von zunächst 38,55 Euro beantragt, die Laufzeit sollte achtunddreißig Jahre betragen. Es war vereinbart, dass sich die Versicherungsbeiträge ab dem 6. Versicherungsjahr auf 57,83 Euro und ab dem 11. Versicherungsjahr auf 77,10 Euro erhöhen. Die Monatsrente sollte sich auf 750,00 Euro belaufen, eine Erhöhung war nicht vorgesehen. Versicherte Person war Herr M., der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zweiundzwanzig Jahre alte Sohn der Beschwerdeführer.
Im Zuge des letztgenannten Neuvertragsschlusses wurde ein seit dem 1. September 2003 bei einem anderen Versicherungsunternehmen bestehender Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag gekündigt. Versicherungsnehmerin dieses Vertrages war die Beschwerdeführerin, versicherte Person ihr zum damaligen Zeitpunkt sechzehn Jahre alter Sohn M. Der monatliche Beitrag belief sich auf 37,77 Euro, eine dynamische Erhöhung von Versicherungsbeitrag und Leistung waren eingeschlossen. Die Laufzeit betrug neunundvierzig Jahre, die Monatsrente belief sich auf 750,00 Euro. Beim Altvertrag wurden die Risikoüberschüsse in einen Fonds investiert, beim Neuvertrag wurden sie verzinslich angesammelt. Herr M. war bei letzterem als Raucher eingestuft worden, bei dem Altvertrag erfolgte eine Einstufung als Nichtraucher.
Zusammengefasst stellen sich die Vertragsdaten wie folgt dar:
Daten des Altvertrages | Daten des Neuvertrages |
Vertragsbeginn: 01.09.2003 | Vertragsbeginn: 01.08.2009 |
Ablauf: 01.09.2052 (Laufzeit 49 Jahre) | Ablauf: 01.08.2047 (Laufzeit 38 Jahre) |
Monatsbeitrag: 37,77 Euro
Einschluss einer dynamischen Erhöhung von Beitrag und Leistung. |
Monatsbeitrag: 38,55 Euro
Es wurden Beitragsstufen vereinbart: „Der Beitrag erhöht sich ab dem 6. Versicherungsjahr auf 57,83 Euro und ab dem 11. Versicherungsjahr auf 77,10 Euro bis zum Ende der Beitragszahlungsdauer nach 38 Jahren.“ (s. Seite 2 des VS) |
Monatliche Rente: 750,00 Euro (Dynamik) | Monatliche Rente: 750,00 Euro |
Alter d. Sohnes bei Vertragsschluss: 16 J. | Alter d. Sohnes bei Vertragsschluss: 22 J. |
- Der Inhalt der Beratungsdokumentationen vom 22. Juli 2009 lautet wie folgt:
Basisrentenversicherungsvertrag | Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag |
Bestehende Verträge: Keine Eintragung |
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Gesprächsanlass: Nutzung staatlicher Förderung |
Gesprächsanlass: Vertragsverlängerung/-umstellung/-neuordnung |
Beratung/Information: Es erfolgte eine Beratung zu folgenden Wünschen und Bedürfnissen: Altersvorsorge, RenteLösungsvorschlag: Rentenversicherung zur Altersvorsorge nach AltEinG Begründung: Nutzung Steuervorteil Antrag: |
Beratung/Information: Es erfolgte eine Beratung zu folgenden Wünschen und Bedürfnissen: BerufsunfähigkeitsabsicherungLösungsvorschlag: Selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung Begründung: Neuordnung Verträge
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2.
- Zum Beratungsanlass trägt die Beschwerdeführerin vor, dass sie „etwas für ihre Altersvorsorge“ habe tun wollen. Herr F. habe ihr daraufhin einen Altersvorsorgevertrag in Gestalt eines Riesterrentenversicherungsvertrages empfohlen, damit sie von Steuervorteilen und staatlichen Zulagen profitieren könne. Sie habe auch einen Riesterrentenversicherungsvertrag abschließen wollen. Die Beschwerdeführerin hält den vermittelten Basisrentenversicherungsvertrag für ungeeignet, da er mangels hinreichender Möglichkeit, von der staatlichen Förderung profitieren zu können, nicht auf ihre persönliche Situation passe.
Im Hinblick auf die Berufsunfähigkeitsversicherung tragen die Beschwerdeführer vor, dass Herr F. ihnen empfohlen habe, den Altvertrag zu kündigen und einen neuen Vertrag mit der Beschwerdegegnerin abzuschließen. Als Begründung habe er angeführt, dass die Beschwerdegegnerin einen besseren Tarif anbiete. Tatsächlich sei der neue Vertrag jedoch ungünstiger, da unter anderem die Vertragslaufzeit kürzer, die Beiträge insgesamt höher und die Risikoeinstufung des Sohnes schlechter sei.
- Die Beschwerdegegnerin hat im Rahmen des Ombudsmannverfahrens dreimal Stellung genommen und vorgetragen, dass die Beschwerdeführer den Falschberatungsvorwurf nicht nachgewiesen hätten. Einlassungen des Abschlussvermittlers legte sie nicht vor. Als Begründung führt die Beschwerdegegnerin lediglich an, dass dieser nicht mehr für die C-AG tätig sei. Gegen den Falschberatungsvorwurf trägt sie vor, dass beide Verträge ordnungsgemäß zustande gekommen seien und die Beschwerdeführer von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Zudem führt die Beschwerdegegnerin aus, dass die gewählten Produkte in den Vertragsunterlagen eindeutig benannt und die Leistungen unmissverständlich ausgewiesen worden sind.
Im Hinblick auf den Basisrentenversicherungsvertrag bezieht sich die Beschwerdegegnerin auf das Beratungsprotokoll und erläutert, dass dessen Inhalt nicht beweise, dass die Beschwerdeführerin einen Riesterrentenversicherungsvertrag abschließen wollte. Vielmehr ließen die Eintragungen in der Beratungsdokumentation auf eine Beratung zu beiden Varianten eines Altersvorsorgevertrages schließen. Das Beratungsprotokoll sei zwar nicht umfangreich, zeige aber, dass eine Beratung stattgefunden habe. Der Lösungsvorschlag sei bei der Berufsunfähigkeitsversicherung klar formuliert worden, bei der Rentenversicherung träfe dies zwar nicht ganz zu, es deute aber alles auf eine Basisrente hin. Es könne nun nicht mehr nachvollzogen werden, warum es schließlich zum Abschluss eines Basisrentenversicherungsvertrages gekommen sei. Der Vortrag der Beschwerdeführer, dass der neue Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag ungünstiger sei, könne nicht nachvollzogen werden, da die Beschwerdeführerin nicht hinreichend auf die wesentlichen Leistungsmerkmale der Verträge eingegangen sei. Auch bei diesem Vertrag könne nun nicht mehr rekapituliert werden, warum es schließlich zum Abschluss kam. Möglicherweise habe man sich gegen den Altvertrag entschieden, da die Risikoüberschüsse bei diesem in Fonds investiert werden.
Die Beschwerdegegnerin wirft die Frage auf, warum die Beschwerdeführer Lichthardt nicht bereits bei Antragstellung erkannt haben, um welche Vertragsarten mit welchen Leistungs- und Gegenleistungsmerkmalen es sich handelt, und bittet um streitige Entscheidung des Ombudsmannes.
II.
Die zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet. Die Beschwerdegegnerin ist verpflichtet, die Beschwerdeführer so zu stellen, wie sie stünden, wenn sie bedarfsgerecht beraten worden wären, wobei hinsichtlich des Vertrages mit der Nummer XXX ein Mitverschuldensanteil der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen ist.
Die Beschwerdegegnerin ist dem schlüssigen Beschwerdevortrag nicht substantiiert entgegengetreten und hat ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Der Inhalt der Beratungsdokumentationen ist nicht geeignet, den Vorwurf der Falschberatung zu entkräften, sondern führt angesichts seiner Lückenhaftigkeit und mangelnden Klarheit zu Beweiserleichterungen für die Beschwerdeführer.
1.
- Im Rahmen der gesetzlich gebotenen Beratung des Versicherungsnehmers ist dieser unter anderem nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen; die Gründe für jeden zu einer Versicherung erteilten Rat sind anzugeben (§§ 6 Absatz 1 Satz 1, 61 Absatz 1 Satz 2 WG). Dies ist zu dokumentieren (§§ 6 Absatz 1 Satz 2, 61 Absatz 1 Satz 2 VVG). Außerdem hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer den erteilten Rat und die Gründe hierfür klar und verständlich vor Abschluss des Vertrages in Textform zu übermitteln (§ 6 Absatz 2 Satz 1 WG).
Der Versicherungsvertreter mit Erlaubnis (§ 34 Absatz 1 GewO) ist ein Versicherungsvermittler (§ 34 Absatz 1 GewO i. V. mit § 61 Absatz 1 Satz 1 WG). Verletzt ein Versicherungsvermittler die dem Versicherer nach § 6 Absätze 1 und 2 VVG treffende Beratungs- und Dokumentationspflicht, so ist dem Versicherer diese Pflichtverletzung gemäß § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen.
- Die Beschwerdeführerin behauptet schlüssig eine der Beschwerdegegnerin zurechenbare Pflichtverletzung von Herrn F., indem sie ausführt, dass ein Riesterrentenversicherungsvertrag gewünscht und die Beratung auf diesen ausgerichtet war, sie tatsächlich jedoch einen Basisrentenversicherungsvertrag erhalten habe, der nicht ihrem Bedarf entspreche.
- Die Beschwerdegegnerin trifft eine sekundäre Darlegungslast (vgl. Rixecker in: Römer/Langheid, WG, 3. Auflage, § 6, Rn. 30; Greger in: Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 138, Rn. 8b). Sie ist gehalten vorzutragen, ob und auf welche Weise sie notwendige Informationen zu erheben versucht und mit welchem Ratschlag sie auf diese reagiert hat. Sie macht jedoch mangels Stellungnahme von Herrn F. keine Angaben zum Hergang der Beratung, so dass die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Sache unwidersprochen bleiben. Angaben, warum der Basisrentenversicherungsvertrag aus ihrer Sicht möglicherweise doch das bedarfsgerechtere Produkt dargestellt haben könnte, macht sie nicht. Bloße Vermutungen genügen nicht.
Ihr Vortrag, sich nicht zum Hergang des Beratungsgesprächs äußern zu können, da der Abschlussvermittler nicht mehr für die C-AG tätig sei, ist als unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen zu werten. § 138 Absatz 4 ZPO lässt ein Bestreiten mit Nichtwissen zwar zu, wenn die maßgeblichen Tatsachen weder eigene Handlung der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Die Partei hat jedoch dann eine Erkundigungspflicht und kann sich nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen, wenn es um Vorgänge geht, bei denen Personen unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (BGHZ 109, 205, 209 f.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.10.2003, 8 U 139/03; LG Berlin, Urteil vom 19.12.2000, 7 0 437/99). Der Versicherer soll sich seinen prozessualen Erklärungspflichten nicht durch die arbeitsteilige Organisation seines Unternehmens, zu der auch der Versicherungsvertreter als Erfüllungsgehilfe nach § 278 Satz 1 BGB zählt, entziehen können.
Vorliegend ist zwar zu berücksichtigen, dass Herr F. zwischenzeitlich bei der C-AG ausgeschieden sein soll. Dass der Abschlussvermittler nicht mehr für die Vertriebspartnerin tätig ist, hat jedoch nicht zwangsläufig zur Folge, dass eine Kontaktaufnahme und Befragung nicht mehr möglich sind. Der Beschwerdegegnerin war es zumindest zuzumuten, Anstrengungen zu unternehmen, um eine Stellungnahme von Herrn F. einzuholen. Nach Erkenntnissen des Ombudsmanns sind die Kontaktdaten von Herrn F. durch eine einfache Internetrecherche zu finden. Versuche der Beschwerdegegnerin, den Sachverhalt zum Verlauf und Ergebnis des Beratungsgesprächs auf diese Weise näher aufzuklären, waren jedoch nicht erkennbar. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass eine Kontaktaufnahme mit Herrn F. nicht möglich oder unzumutbar sei.
Der Hinweis der Beschwerdegegnerin auf den Inhalt der Vertragsunterlagen ist ebenfalls nicht geeignet, dem Falschberatungsvorwurf entgegenzutreten, denn mit ihm kann kein Nachweis über den Hergang eines Beratungsgesprächs geführt werden. Die Beantragung eines bestimmten Versicherungsschutzes beweist nicht, dass dieser in der konkreten tariflichen Ausgestaltung auch Gegenstand der vom Versicherungsvermittler ausgesprochenen Produktempfehlung war. Mit den Vertragsunterlagen, namentlich dem Versicherungsantrag und dem Versicherungsschein, gelingt allein der Nachweis darüber, dass es zu einem Vertragsschluss bestimmten Inhalts gekommen war.
- Der Vortrag, die Beratungsdokumentation sei inhaltlich zwar nicht sehr umfangreich, ihr Vorliegen deute jedoch unmissverständlich darauf hin, dass eine Beratung zur Altersvorsorge unter Berücksichtigung von staatlichen Förderungen stattgefunden habe, genügt ebenfalls nicht, um dem Falschberatungsvorwurf überzeugend entgegenzutreten. Dass Gegenstand des Beratungsgesprächs die Altersvorsorge der Beschwerdeführerin war, ist vorliegend nicht streitig. Vielmehr kommt es auf die Frage an, welche Produkte Herr F. konkret vorgestellt, welche Produktempfehlung er als Ergebnis einer individuellen Bedarfsanalyse abgeben und wie er sie begründet hatte. Mit dem Hinweis, dass es dem Inhalt der Beratungsdokumentation nach sowohl um einen Riester- als auch um einen Basisrentenversicherungsvertrag gegangen sein kann, gelingt es der Beschwerdegegnerin gerade nicht, dem maßgeblichen Vortrag der Beschwerdeführerin entgegenzutreten, dass Herr F. den Abschluss eines Riesterrentenversicherungsvertrages empfohlen haben soll, es dann aber zum Abschluss eines Basisrentenversicherungsvertrages kam.
Dass die angegebene Begründung „Nutzung Steuervorteil“ ohne den Zusatz „staatliche Förderung“ auf die Empfehlung einer Basisrente hindeute, überzeugt nicht, denn der Begriff „staatliche Förderung“ ist kein Äquivalent für „staatliche Zulage“. Die staatliche Förderung besteht in der Gewährung von Zulagen oder Steuervorteilen. Letztere können auch bei einem Riesterrentenversicherungsvertrag im Rahmen der Günstigerprüfung zum Tragen kommen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Inanspruchnahme eines Sonderausgabenabzuges nach § 10 a Absatz 2 des Einkommenssteuergesetzes nämlich die für einen Versicherungsnehmer wirtschaftlich sinnvollere Alternative zur Beantragung von staatlichen Zulagen sein.
Die Beratungsdokumentation ist klar und verständlich abzufassen, anderenfalls kann sie ihren Zweck nicht erfüllen. Dieser besteht zum einen darin, dem Interessenten eine Reflektion des Beratungsgesprächs zu ermöglichen und den Beratenden zu disziplinieren (Armbrüster in: Langheid / Wandt, WG, 2010, § 6 Rn. 25). Andererseits soll die Beratungsdokumentation beiden Vertragsparteien die Beweisführung im Streitfalle erleichtern (Armbrüster, a.a.O., Prölss in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Auflage, 2010, § 6, Rn. 34). Der Umfang der Dokumentation richtet sich nach der Komplexität der angebotenen Produkte. Sie muss die Beratung nicht in allen Einzelheiten auflisten, sondern kann sich auf die stichwortartige Wiedergabe des Gesprächsinhalts beschränken (Prölss, a.a.O., Rn. 35, Rixecker, a.a.O., § 6, Rn. 19).
Diesen Anforderungen genügt das „Beratungsprotokoll: Lebens-/Rentenversicherung“ vom 22. Juli 2009 nicht. Das Dokument enthält keine Angaben zur Befragung der Beschwerdeführerin durch Herrn F. Das oder möglicherweise die angebotenen Versicherungsprodukte werden mit der Bezeichnung „Rentenversicherung zur Altersvorsorge nach AltEinG“ nicht hinreichend konkret benannt. Die Begründung „Nutzung Steuervorteil“ ist nicht geeignet aufzuzeigen, ob und inwieweit die ohnehin ungenaue Produktempfehlung auf die individuellen Bedürfnisse der Beschwerdeführerin abgestimmt sind. Der Vertrag sollte Lücken bei der Altersvorsorge der fünfzig Jahre alten Beschwerdeführerin mit einem niedrigen Einkommen decken und hatte eine dementsprechend hohe Bedeutung, die sich jedoch nicht im Umfang und Inhalt der Beratungsdokumentation widerspiegelt.
Auch das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Dokumentation wurde nicht beachtet. Zwar ist das verwendete Formular optisch übersichtlich aufgebaut, allerdings enthalten die handschriftlichen Eintragungen keine präzisen Bezeichnungen und Formulierungen. Durch die Verwendung der Formulierung „Rentenversicherung zur Altersvorsorge nach dem AltEinG“ unter Ziffer 5 „Lösungsvorschlag“ wird – wie von der Beschwerdegegnerin selbst ausgeführt – eine Mehrdeutigkeit geschaffen. Mehrdeutigkeiten sind geeignet, Missverständnisse und Zweifel hervorzurufen, was dem Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht widerspricht. Es ist daher festzustellen, dass der Beschwerdeführerin der von Herrn F. erteilte Rat und die Gründe hierfür entgegen § 6 Absatz 2 Satz 1 VVG nicht klar und verständlich vor Vertragsschluss in Textform übermittelt wurden.
Lässt sich anhand einer Beratungsdokumentation feststellen, dass und worüber ein Versicherungsnehmer beraten wurde, nicht jedoch der Inhalt der wiederzugebenden Beratung, so muss der Versicherer diesen nachweisen (vgl. Prölss, a.a.O., § 6, Rn. 35). Wenn eine Dokumentation beratungsrelevante Lücken enthält, kommen dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugute (vgl. Rixecker, a.a.O., § 6 Rn. 31; Prölss, a.a.O., Rn. 34 f., Ebers in: Schwitowski/ Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2. Auflage, § 6, Rn. 43).
Die unvollständigen und mehrdeutigen Angaben im Beratungsprotokoll haben für die Beschwerdeführerin Beweiserleichterungen zur Folge. Es wird vermutet, dass sich die Beratung so zugetragen hat, wie von ihr schlüssig behauptet.
- Durch die Vermittlung des Basisrentenversicherungsvertrages, der, wie hier angenommen, nicht Gegenstand des Beratungsgesprächs war, ist die Beschwerdeführerin ein Schaden entstanden, denn sie konnte nach ihren unwidersprochenen und damit der Entscheidung zu Grunde zu legendenden Angaben im Vergleich zu einem Riesterrentenversicherungsvertrag nicht hinreichend von staatlicher Förderung profitieren. Zwar war es ihr möglich, mit dem geschlossenen Basisrentenversicherungsvertrag eine Altersvorsorge aufzubauen, jedoch wurde damit dem von ihr gewünschten Zweck nicht vollends Rechnung getragen.
Eine Verletzung der gesetzlichen Beratungs- und Dokumentationspflichten begründet einen Schadensersatzanspruch (§ 6 Absatz 5 WG). Nach der bestehenden Sach- und Rechtslage ist der Beschwerdegegnerin daher zu empfehlen, den Vertrag rückabzuwickeln und der Beschwerdeführerin entweder Geldersatz zu leisten oder bedarfsgerechten Versicherungsschutz in Gestalt eines Riesterrentenversicherungsvertrages rückwirkend zum 1. August 2009 zu bieten, wobei entgangene Zulagen zu berücksichtigen wären.
Die Beschwerdeführerin muss sich jedoch ein Mitverschulden anrechnen lassen. Der Inhalt des Versicherungsantrags, der am selben Tag unterzeichnet worden war wie das Beratungsprotokoll, hätte bei ihr Zweifel daran wecken müssen, dass es sich bei dem vermittelten Produkt tatsächlich um einen Riesterrentenversicherungsvertrag handelte. Das Dokument trägt auf Seite 1 die in Fettdruck gehaltene Überschrift „Versicherungsantrag Rentenversicherung Basisrente“. Auch unter der Rubrik „Versicherungsumfang bei der X-Lebensversicherung AG“ auf derselben Seite ist das beantragte Produkt mit „X-Basisrente“ benannt worden. Letztere Bezeichnung war ebenfalls in Fettdruck gehalten und unterstrichen. Die Beschwerdeführerin hätte bei Herrn F. zumindest nachfragen müssen, was es mit der im Versicherungsantrag gewählten Bezeichnung auf sich hat und ob der nunmehr beantragte Rentenversicherungsvertrag seiner Produktempfehlung entspricht. Dass sie dies nicht getan hat, gereicht ihr nach § 254 Absatz 1 BGB zum anteiligen Verschulden, dessen Anteil mit einem Drittel bemessen wird.
2.
- Gegenstand des Beschwerdevortrags zur selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung ist die Umdeckung, zu der Herr F. geraten hatte. Die Beschwerdeführer haben unter Nennung der wesentlichen Leistungsmerkmale wie der Versicherungsdauer, des Versicherungsbeitrags und der Versicherungsleistung schlüssig vorgetragen, dass sie nicht darauf hingewiesen worden seien, dass der Neuvertrag für die gewünschte Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos ihres Sohnes nicht günstiger, sondern ungünstiger ist als der Altvertrag.
- Die Beschwerdegegnerin trifft eine sekundäre Darlegungslast (s.o. Ziffer 1 b.). Im Rahmen einer Umdeckung ist der Versicherer beziehungsweise der Abschlussvermittler gehalten, dem Interessenten die Vor- und Nachteile des Alt- und Neuvertrages gegenüberzustellen, um ihm auf diese Weise die für eine Abwägung maßgeblichen Kriterien an die Hand zu geben (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.09.2011, 12 U 56/11; OLG Koblenz, Urteil vom 27.10.2006, 10 U 1615/05). Die Beschwerdegegnerin macht mangels Vorliegens einer Stellungnahme von Herrn F. keine Angaben zum Hergang der Beratung, so dass die Ausführungen der Beschwerdeführer, der Neuvertrag sei als günstigeres Produkt empfohlen worden, in der Sache unwidersprochen bleiben. Ein pauschales Bestreiten mit Nichtwissen ist unzulässig (s.o. Ziffer 1 b.).
Während der Altvertrag eine Laufzeit von 49 Jahren und damit bis fast zum Erreichen des 65. Lebensjahres von Herrn M. vorsah, beschränkte sich die Laufzeit bei dem Neuvertrag auf 38 Jahre. Er sollte somit bereits im 60. Lebensjahr von Herrn M. enden. Die Dauer des Versicherungsschutzes war folglich fünf Jahre und einen Monat kürzer als bei dem Altvertrag. Diese Verkürzung, für die kein sachlicher Grund ersichtlich ist, wurde auch nicht auf andere Weise aufgewogen, etwa durch geringere Versicherungsbeiträge. Die bei dem Neuvertrag vereinbarten Monatsbeiträge beliefen sich zunächst auf 38,55 Euro und waren damit geringfügig höher als bei dem Altvertrag. Ab dem sechsten Versicherungsjahr sollten jedoch Beitragsstufen greifen, in deren Folge sich die Versicherungsbeiträge bis zum elften Versicherungsjahr auf 77,10 Euro erhöht hätten. Dies entspricht einer Verdoppelung des anfänglich geschuldeten Versicherungsbeitrags ab dem elften Versicherungsjahr. Damit war nicht nur die Versicherungsdauer kürzer, sondern der gewährte Versicherungsschutz auch teurer. Im Falle der Berufsunfähigkeit wäre bei beiden Verträgen eine monatliche Rente in Höhe von 750,00 Euro gezahlt worden. Beim Altvertrag bestand die Möglichkeit, durch die Wahl einer dynamischen Erhöhung des Monatsbeitrags auch eine Erhöhung der Versicherungsleistung zu erwirken. Diese Möglichkeit sah der Neuvertrag nicht vor.
Im Ergebnis waren die Kündigung des Alt- und der Abschluss des Neuvertrages nachteilig für die Beschwerdeführer beziehungsweise die versicherte Person M. Der Hinweis der Beschwerdegegnerin, die Beschwerdeführerin könnte sich gegen den Altvertrag und der Beschwerdeführer für den Neuvertrag entschieden haben, weil der Altvertrag eine Investition der Risikoüberschüsse in Fonds vorsah, überzeugt nicht. Zum einen ist dies nur eine Vermutung. Zum anderen können die verzinsliche Ansammlung von Überschüssen als auch ihre Investition in Fondsanteile Vor- und Nachteile haben. Eine pauschale Bewertung der beiden Investitionsmöglichkeiten ist daher nicht sachdienlich, zumal es sich insoweit nicht um die vertraglich vereinbarte Hauptleistung handelte.
- Der Hinweis, die Beratungsdokumentation sei inhaltlich zwar nicht sehr umfangreich, ihr Vorliegen deute jedoch unmissverständlich darauf hin, dass eine Beratung zur Berufsunfähigkeitsversicherung stattgefunden habe, genügt ebenfalls nicht, um dem Falschberatungsvorwurf wirksam entgegenzutreten. Dass die Berufsunfähigkeitsabsicherung des Sohnes Gegenstand des Beratungsgesprächs war, ist nicht streitig. Vielmehr kommt es auf die Frage an, ob in diesem Beratungsgespräch auf der Basis einer individuellen Bedarfsanalyse eine Aufklärung „über sämtliche Folgen des Wechsels“ (vgl. Urteil des OLG Karlsruhe, a.a.O.) stattgefunden hat, zu der insbesondere eine umfassende Abwägung von Vor- und Nachteilen gehört, und warum angesichts des bestehenden Versicherungsschutzes die Vorteile eines Neuvertragsabschlusses überwogen haben sollen.
Die vorliegende Beratungsdokumentation beantwortet diese Frage nicht. Darin ist weder das Versicherungsprodukt in seiner konkreten tariflichen Ausgestaltung benannt worden noch gibt die Begründung „Neuordnung Verträge“ Aufschluss über die Sinnhaftigkeit des Neuvertragsschlusses. Das Dokument enthält keine Angaben zur Befragung der Beschwerdeführer durch Herrn F., eine zumindest stichpunktartige Abwägung der Vor- und Nachteile fehlt.
Lässt sich anhand einer Beratungsdokumentation feststellen, dass und worüber ein Versicherungsnehmer beraten wurde, nicht jedoch der Inhalt der wiederzugebenden Beratung, so muss der Versicherer diesen nachweisen (Prölss, a.a.O., § 6, Rn. 35). Wenn eine Dokumentation beratungsrelevante Lücken enthält, kommen dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugute (Armbrüster, a.a.O., § 6, Rn. 120; Prölss, a.a.O., § 6, Rn. 65; Rixecker, a.a.O., § 6, Rn. 31; vgl. auch BT-Drucksache 16/1935, S. 25 f.).
Angesichts der unvollständigen und mehrdeutigen Angaben im Beratungsprotokoll greifen zu Gunsten der Beschwerdeführer Beweiserleichterungen. Es wird vermutet, dass die Beratung so erfolgt ist, wie von ihnen schlüssig behauptet.
- Durch die Vermittlung des Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages, ist den Beschwerdeführern ein Schaden entstanden. Der Beschwerdeführer hat kein im Vergleich zum Altvertrag der Beschwerdeführerin günstigeres Versicherungsprodukt erhalten. Nach der bestehenden Sach- und Rechtslage ist der Beschwerdegegnerin daher zu empfehlen, den mit dem Beschwerdeführer geschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag rückabzuwickeln und der Beschwerdeführerin entweder Geldersatz zu leisten oder auf der Basis des Altvertrages bedarfsgerechten Versicherungsschutz rückwirkend zum 1. September 2003 zu bieten.