I.
Für den Beschwerdeführer besteht bei der Beschwerdegegnerin eine dynamisierte selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung mit Versicherungsbeginn 1. Dezember 2010. Es wurden eine garantierte monatliche Berufsunfähigkeitsrente von XX EUR und ein Jahresbeitrag von XX EUR vereinbart. Diesem Versicherungsbeitrag lag kein Unisex-Tarif zugrunde.
Der Versicherungsvertrag beinhaltet des Weiteren eine Option des Beschwerdeführers auf Erhöhung seines Versicherungsschutzes ohne erneute Gesundheitsprüfung, die die Beschwerdegegnerin in ihren „Bedingungen für die Ausübung von Optionen bei der Berufsunfähigkeitsversicherung für Heilberufe“ geregelt hat.
In § 2 der Bedingungen sind verschiedene Anlässe aufgezählt, die den Versicherungsnehmer berechtigen, seinen Versicherungsschutz zu erhöhen. Der 24jährige Beschwerdeführer hat sein Universitätsstudium (Zahnmedizin) abgeschlossen und eine entsprechende Anstellung erhalten. Der Erhöhungsanlass ist zwischen den Beschwerdeparteien unstreitig.
Der Beschwerdeführer möchte seine bisher vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente um XX EUR monatlich erhöhen. Dass eine Erhöhung des Versicherungsschutzes mit einer Erhöhung des Versicherungsbeitrages einhergeht, bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Jedoch erhebt die Beschwerdegegnerin einen Anspruch auf einen Monatsbeitrag unter Berücksichtigung des sogenannten Unisex-Tarifs. Sie beruft sich dabei auf § 6 der Bedingungen, wonach sich die Beiträge für den gewählten Erhöhungsumfang u. a. nach dem dann gültigen Tarif errechnen. Darüber hinaus sei im § 7 der Bedingungen festgelegt, dass die Erhöhungen rechtlich selbstständige Versicherungsverträge mit gesonderten Beiträgen und Versicherungsleistungen seien. Daher sei der Unisex-Tarif der Beitragsberechnung zugrunde zu legen, der einen höheren Versicherungsbeitrag mit sich bringt als bei einer Nichtanwendung des Unisex-Tarifs.
Der Beschwerdeführer ist mit der Beitragsberechnung nach dem Unisex-Tarif nicht einverstanden.
II.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers hat Erfolg.
Nach dem Test-Achats-Urteil des EuGH vom 1. März 2011 (Rechtssache 0-236/09) gilt die Unisex-Regel ohne jede Ausnahme für neue Verträge, die nach dem 21. Dezember 2012 geschlossen werden. Der Begriff des „neuen Vertrages“ ist in der Richtlinie 2004/113 EG des Rates vom 13. Dezember 2004 nicht definiert.
Die Europäische Kommission hat Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache 0-236/09 herausgegeben.
Diese Leitlinien sind nicht unmittelbar rechtlich verbindlich. Sie sind jedoch von den mitgliedsstaatlichen Gerichten in Auslegungsfragen zu berücksichtigen, solange keine weitere EuGH-Rechtsprechung diesbezüglich eingebettet ist.
Nach Ziffer 13 c) der Leitlinie (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. C 11 vom 13. Januar 2012, Seite 3) ist folgender Sachverhalt nicht mit dem Abschluss eines neuen Vertrages gleichzusetzen: „der Abschluss durch den Versicherungsnehmer von Zusatz- oder Anschlussversicherungen, sofern die entsprechenden Modalitäten bereits in vor dem 21. Dezember 2012 geschlossenen Verträgen festgelegt sind und die Policen durch eine einseitige Erklärung des Versicherungsnehmers wirksam werden“ (beispielsweise die Aufstockung der Lebensversicherung durch die versicherte Person).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer bereits bei Abschluss der selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung im Dezember 2010, also vor dem 21. Dezember 2012, die Option auf eine Erhöhung der Berufsunfähigkeitsrente ohne erneute Gesundheitsprüfung vertraglich vereinbart.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ausübung der Option einen neuen Vertragsabschluss darstellt, wovon die Beschwerdegegnerin unter Hinweis auf § 7 der Bedingungen für die Ausübung von Optionen ausgeht, oder rechtlich nur eine Änderung des ursprünglichen Vertrages gegeben ist, weil unter Wahrung der Vertragsidentität lediglich die Leistungspflicht summenmäßig erweitert wird. Denn im Sinne von Ziffer 13 c) der Leitlinien stellt die Inanspruchnahme der Option auf Erhöhung des Versicherungsschutzes durch den Beschwerdeführer eine „Anschlussversicherung“ dar, deren Modalitäten bereits im Vertrag, der vor dem 21. Dezember 2012 geschlossen worden ist, festgelegt worden sind und eine einseitige Erklärung des Versicherungsnehmers zum Wirksamwerden der Anschlussversicherung ausreicht.
Die Leitlinien stellen (unverbindliches) EU-Recht dar. Sie sind nach unionsrechtlicher, nicht nach nationaler Methodik auszulegen. EU-Normen sind vorrangig so auszulegen, dass ihnen ein „effet utile“ zukommt, dass sie also ihr Regelungsziel am besten und einfachsten erreichen. Ziffer 13 c) der Leitlinien will eine Anschlussversicherung der Art, wie sie vorliegend gegeben ist, nicht den neuen Unisex-Regelungen unterwerfen.
Daher ist der hier vorliegende Fall nicht mit dem Abschluss eines neuen Vertrages gleichzusetzen, bei dem die Unisex-Regel einzuhalten wäre.
Die Beschwerdegegnerin hat im § 6 der Bedingungen für die Ausübung von Optionen zwar darüber hinaus geregelt, dass dem „Erhöhungsvertrag“ der dann aktuell gültige Tarif zugrunde liegt. Weil es sich aber im vorliegenden Fall um eine Anschlussversicherung und in der Sache nicht um einen „Erhöhungsvertrag“ handelt, ist die Beschwerdegegnerin nicht berechtigt, den Unisex-Tarif anzuwenden, sondern „nur“ den Tarif, den sie ohne Berücksichtigung von Unisex zugrunde gelegt hätte.
Der Beschwerdewert liegt nach der Aktenlage unter 10.000,– EUR. Gemäß §§ 10 Abs. 3, 11 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmannes (VomVO) ist die Entscheidung für die Beschwerdegegnerin verbindlich.