Berlin, 26. September 2001. – Der erste Versicherungsombudsmann, Prof. Wolfgang Römer, tritt zum 1. Oktober 2001 sein Amt an. Im nachfolgenden Interview legt Prof. Römer dar, wie er sein neues Amt auslegen und welche Ziele er als Ombudsmann für die Versicherungsbranche verfolgen wird.
Herr Prof. Römer, Sie sind der erste Versicherungsombudsmann und füllen damit ein Amt aus, das es bis dato nicht gegeben hat. Wie wollen Sie Ihre Aufgabe wahrnehmen, ohne Ihre Neutralität aufs Spiel zu setzen?
Als Ombudsmann bin ich ja nicht Richter, sondern Schlichter. Und ich stelle mir die Arbeit in der Tat so vor, dass ich mich in der Mitte befinde. Die Aufgabe des Ombudsmanns ist ja keine einseitige. Sie besteht vielmehr darin, beide Seite zu sehen und sich darum zu bemühen, dass bei den Verbrauchern und den Versicherungsunternehmen Zufriedenheit und im besten Sinne Friede eintritt. Das sollen nicht große Worte sein. Denn in jedem Einzelfall strebe ich das Ziel an, dass das Ergebnis der Schlichtung durch den Ombudsmann hinnehmbar und überzeugend ist.
Prof. Römer, Sie waren lange Jahre Richter am Bundesgerichtshof. Aufgrund Ihrer höchstrichterlichen Entscheidungen eilt Ihnen der Ruf voraus, eine große Neigung zum Verbraucherschutz zu haben. Weckt Ihre frühere Tätigkeit nicht Skepsis bei den Versicherungsunternehmen, als Ombudsmann Verbraucherinteressen einseitig in den Vordergrund zu rücken?
Sie haben sicherlich recht, dass die Entscheidungen des BGB-Senats, dem ich angehörte, nicht immer dazu angetan waren, dass in den Versicherungsunternehmen Freude aufkam. Da ist mitunter auch geschluckt worden. Aber die Entscheidung, mich zum ersten Versicherungsombudsmann zu berufen, bestätigt doch die Auffassung der Versicherungswirtschaft, mit der Richtung meiner Entscheidungen am Ende konform gegangen zu sein. Ich habe ja in Karlsruhe nicht nur am Schreibtisch gesessen, sondern bin auch rausgegangen und habe in meinen Gesprächen gerade nach kritischen Entscheidungen gehört, dass der Richterspruch doch so falsch nicht war. Das macht Mut, denn man sieht: Es sind Entscheidungsprozesse auf den Weg gebracht worden, die die Versicherungswirtschaft insgesamt verbraucherfreundlicher gemacht hat. Und ich denke, mit dem Streitschlichtungsverfahren beim Ombudsmann wird das ähnlich sein: Wenn man nach einer gewissen Zeit sieht, wie die Dinge sich entwickeln und welche Vorteile diese Institution für die Verbraucher wie für das einzelne Unternehmen und die Gesamtheit der Versicherungswirtschaft am Ende entfaltet, werden auch die Skeptiker anderen Sinnes sein.
Im Übrigen werde ich das Gespräch auch weiterhin suchen. Denn die Institution Ombudsmann wird um so erfolgreicher sein, je besser die Zusammenarbeit zu beiden Seiten klappt und Probleme im Dialog gelöst werden können. Das gilt umgekehrt auch für die einzelnen Unternehmen oder die Verbraucherschutzverbände: Ich lade dazu ein, sich an den Ombudsmann zu wenden, wenn es ein Problem zu besprechen gibt. Denn ich will viel mehr schlichten als richten.
Wie verläuft denn die Schlichtung konkret, wann kann man sich an den Versicherungsombudsmann wenden und in welchen Fristen kann mit Entscheidungen gerechnet werden?
Grundsätzlich kann sich jeder Versicherungsnehmer telefonisch, per Brief, E-Mail oder Fax bei einem Streit mit seinem Versicherungsunternehmen an den Ombudsmann wenden. Meine Mitarbeiter, das sind erfahrene Versicherungskaufleute und Juristen, werden gegebenenfalls auch bei der Beschwerdeaufnahme und der Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen behilflich sein. Wir prüfen dann, ob der Ombudsmann für die Beschwerde zuständig ist und fordern das Versicherungsunternehmen zu einer Stellungnahme auf. In jedem Fall erhält der Kunde sehr schnell eine Antwort, wie in seinem konkreten Fall verfahren wird. Denn wir wollen schnell und transparent entscheiden.
Wenn sich herausstellt, dass zwischen dem Kunden und dem Versicherungsunternehmen keine Einigung bei einer zulässigen Beschwerde möglich ist, werde ich von Amts wegen ermitteln, um den strittigen Sachverhalt aufzuklären. Dabei werde ich allein aufgrund der eingereichten schriftlichen Unterlagen und Stellungnahmen entscheiden. Anders als ein Richter werde ich keine Parteien oder Zeugen persönlich hören. Und dann werde ich den streitenden Parteien einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten, dessen Maßstab allein Recht und Gesetz ist.
Mir ist wichtig zu betonen, dass für die Dauer des Ombudsmannverfahrens die Verjährungsfrist ausgesetzt ist und alle Informationen, die ich zur Entscheidung benötige, selbstverständlich vertraulich behandelt werden.
Wie können Sie denn gewährleisten, dass Ihre Entscheidungen von den Parteien auch anerkannt werden?
Jene Versicherungsunternehmen, die Mitglied im Verein „Versicherungsombudsmann“ sind, haben anerkannt, dass Sie sich meinen Entscheidungen bei einem Beschwerdewert bis zu 5.000 Euro unterwerfen. An diese Entscheidung ist der Versicherer also gebunden. Den Kunden steht demgegenüber weiterhin der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen. Darüber hinaus kann ich bis zu einem Beschwerdewert von 50.000 Euro Empfehlungen zur Streitschlichtung abgeben, die allerdings für beide Seiten unverbindlich sind. Selbstverständlich kann das Versicherungsunternehmen zu jeder Zeit auch auf dem Kulanzwege den Streitfall beenden. In jedem Fall werde ich meine Entscheidungen oder Empfehlungen schriftlich begründen und den streitenden Parteien übermitteln. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber auch sagen, dass ich in bestimmten Fällen von einer Entscheidung auch absehen kann, zum Beispiel wenn es auf eine Grundsatzfrage ankommt, die höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.
Im Übrigen bin ich fest davon überzeugt, dass die Streitschlichtungsstelle und das Verfahren, das wir mit dem Ombudsmann jetzt beginnen, ein Erfolg für die Verbraucher und die Unternehmen sein werden. Denn der Kunde bekommt eine unabhängige und kompetente Institution an die Hand, der er sich kostenlos zur Durchsetzung seiner Interessen bedienen kann. Und umgekehrt erfahren die Versicherungsunternehmen durch den Ombudsmann, wo den Kunden der Schuh drückt und wie sie gegebenenfalls die Beziehungen zwischen den Unternehmen und ihren Kunden ausbauen können. Schon jetzt zeigt das große Medieninteresse, dass große Erwartungen an diese neue Streitschlichtungsstelle geknüpft werden. Seien Sie gewiss, dass ich alles daran setzen werde, diese positiven Erwartungen nicht zu enttäuschen.