Zwei Jahre Ombudsmann – als Institution bei Kunden und Versicherungsunternehmen bereits etabliert
Die Schlichtungsstelle des Ombudsmannes für Versicherungen besteht nun zwei Jahre. Ich habe meine Tätigkeit am 1. Oktober 2001 aufgenommen. Das ist hinreichender Anlass, einmal öffentlich Bilanz zu ziehen.
Inzwischen haben sich 20.852 Kunden der Versicherungsunternehmen mit Beschwerden und Anfragen an mich gewandt. Vielen von ihnen habe ich helfen können, wobei die Hilfe ganz unterschiedlich aussehen kann. Darauf komme ich noch zurück.
Das für mich besonders Erfreuliche ist, dass sich diese Schlichtungsstelle in diesen zwei Jahren fest etabliert hat. Man kann sie sich nicht mehr wegdenken.
Allerdings würde ich mir wünschen, wenn sie bei den Versicherungskunden noch etwas bekannter wäre. Die Unternehmen weisen inzwischen fast alle auf die Möglichkeit hin, den Versicherungsombudsmann in Anspruch nehmen zu können. Meist geschieht dies in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Aber wer liest schon eine so spannende Lektüre.
Ein Unternehmen hat den Hinweis auf den Ombudsmann auch auf seine Rechnungen gedruckt. Die Folge ist, dass ich häufig Anrufe bekomme in der Annahme, ich würde mich um das Inkasso der Prämien kümmern.
Nach meiner Ansicht liegt der Erfolg der Schlichtungsstelle vor allem darin begründet, dass die Kunden mir volles Vertrauen entgegenbringen. Dazu trägt vor allem die Überzeugung der Kunden bei, dass ich wirklich unabhängig und neutral bin. Ich lese dies immer wieder in den Briefen, die ich bekomme.
Erfreulich ist auch, dass sich die anfänglichen Probleme in der Zusammenarbeit mit den Versicherungsunternehmen nun völlig aufgelöst haben. Nicht bei allen Mitarbeitern der Unternehmen war von vornherein die Überzeugung vorhanden, dass der Ombudsmann positiv zu beurteilen sei. Viele fühlten sich kontrolliert und meinten überhaupt, es sei allein Aufgabe der Unternehmen, sich um die Beschwerden der Kunden zu kümmern. Inzwischen sind die Widerstände ganz beseitigt, so dass ich auch aus diesem Blickwinkel sagen kann, die Schlichtungsstelle hat sich fest etabliert.
Im Grundsatz bleibt es ja auch dabei, dass sich der Kunde zunächst einmal an das Unternehmen wenden soll, wenn er mit irgendetwas nicht einverstanden ist. Wenn er damit aber nicht weiterkommt, kann eine neutrale Schlichtungsstelle sehr hilfreich sein.
Man darf an dieser Stelle nicht übersehen, dass der Kunde durch seine Beschwerde beim Ombudsmann nichts verliert: Das Verfahren ist für den Kunden völlig kostenfrei. Ihm werden keine Rechte genommen. Es bleibt ihm unbenommen, sich auch noch an die staatlichen Gerichte zu wenden. Damit er dies ohne Nachteil tun kann, verlängern sich sogar die Verjährungsfristen um die Dauer, die das Verfahren vor dem Ombudsmann in Anspruch nimmt.
Und aussichtslos sind die Beschwerden keineswegs. Immerhin haben 36,2 % aller Beschwerden, für die der Ombudsmann zuständig ist, Erfolg.
Ich halte dies für eine sehr hohe Zahl. Sie findet ihre Erklärung vor allem darin, dass die Unternehmen selbst in vielen Fällen ihre ursprüngliche Entscheidung zu Gunsten des Kunden abändern, nachdem sich dieser beim Ombudsmann beschwert hat. Die Entscheidung wird korrigiert, weil der Sachbearbeiter zunächst die Rechtslage verkannt hat; sie wird aber auch aus Kulanzgründen abgeändert, weil die Unternehmen bemüht sind, die Kunden zu halten. Oft sind die Kosten, einen neuen Kunden zu werben, höher.
Aber auch da, wo die Beschwerde keinen Erfolg hatte, kann der Ombudsmann dem Kunden noch helfen.
Ich sehe es als meine besondere Aufgabe an, den Kunden in verständlichem Deutsch, also nicht mit langatmigen und verwickelten juristischen Ausführungen – zu erklären, warum er keinen Anspruch auf die von ihm erhoffte Leistung des Versicherers hat. Gerade diese Bemühungen haben häufig einen befriedenden Charakter. Manchmal schreiben mir die Kunden, wenn das Unternehmen ihm das gleich so erklärt hätte, wäre es gar nicht erst zu einer Beschwerde gekommen.
Zweck meiner Überzeugungsbemühungen ist auch, den Kunden nicht noch in aussichtslose Prozesse vor Gericht laufen zu lassen, die viel Geld kosten, lange dauern und im Ergebnis dem Kunden doch keinen Vorteil bringen.
Unter diesem Blickwinkel kann selbst dann von einer Hilfe für den Kunden gesprochen werden, wenn die Beschwerde keinen Erfolg hatte.
Ich hatte eingangs erwähnt, dass sich in diesen beiden Jahren 20.852 Kunden an mich gewandt haben. Von diesen Eingaben waren 18.633 Beschwerden im eigentlichen Sinne und 2.219 Anfragen unterschiedlichster Art.
Die meisten Anfragen betreffen die Lebensversicherung. Sie ist auch bei den Beschwerden am häufigsten vertreten. Die Beschwerden zur Lebensversicherung machen insgesamt 30 % aller Beschwerden zu allen Versicherungssparten aus.
Dies hat im Wesentlichen zwei Gründe:
Der eine ist, dass die Unternehmen ihre Verzinsung, also die Überschussbeteiligung in den letzten zwei Jahren haben erheblich senken müssen. Sie wissen, die Ursachen liegen in dem Einbruch des internationalen Kapitalmarkts. Davon sind auch die Lebensversicherer nicht verschont geblieben.
Der durchschnittliche Kunde versteht diese Vorgänge aber nur bedingt. Er weiß im Allgemeinen schon, dass die Ablaufleistung und die Zwischenmitteilungen dazu nicht genau die Zahlen bringen, von denen bei Vertragsschluss die Rede war.
Der Kunde versteht aber nicht, dass die Differenz zwischen dem ursprünglich Vorgestellten und dem, was er jetzt mitgeteilt bekommt, so groß sein muss.
In einigen Fällen hat der Außendienst auch den Eindruck erweckt, der Kunde könne sich auf die bei Vertragsschluss vorgelegten Beispielrechnungen einigermaßen verlassen, während auf dem Papier klein gedruckt vermerkt war, dass es sich um eine unverbindliche Prognose handele.
All das verursacht nun die Enttäuschungen der Kunden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Laie die Berechnungen im einzelnen auch kaum nachvollziehen kann, was allein schon ein Anlass zum Misstrauen ist.
Der zweite Grund liegt darin, dass die Kunden der Lebensversicherer sehr verunsichert sind. Das kann nicht verwundern, nachdem die Probleme der Mannheimer Lebensversicherung wochenlang jeden Tag in der Zeitung zu lesen waren. Ich bekomme ständig Briefe mit der bangen Frage, ob man denn nun die Lebensversicherung kündigen müsse. Diese Fragen kommen nicht nur von Kunden der Mannheimer Lebensversicherung. Alle Lebensversicherungsunternehmen sind betroffen. Das zeigt, die Verunsicherung betrifft nicht ein Unternehmen, sondern das Produkt selbst.
Ich bedaure deshalb, dass es der Versicherungswirtschaft nicht gelungen ist, die Probleme um die Mannheimer Lebensversicherung schneller – und vor allem geräuschloser zu lösen.
Die Bearbeitung solcher Beschwerden und Anfragen kostet viel Zeit. Dem Kunden ist nicht damit gedient, dass ich ihm einfach mitteile, er möge von einer Kündigung des Vertrages absehen. Gerade bei einem so hohen Grad der Verunsicherung muss der Rat besonders gut und überzeugend begründet werden. Nur so kann der Versuch unternommen werden, das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen.
Trotz dieser Schwierigkeiten ist es meinen Mitarbeitern und mir in den letzten Monaten gelungen, die Bearbeitungsdauer erheblich zu reduzieren.
Lag sie zu Beginn meiner Tätigkeit wegen der hohen Eingangszahlen, mit denen niemand gerechnet hatte, bei neun bis teilweise 12 Monaten, so konnte die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für Januar dieses Jahres auf 6,4 Monate, für Juni auf 5,2 Monate und für September 2003 auf 4,2 Monate gesenkt werden.
Ganz zufrieden bin ich damit noch nicht. Denn auch bei den Beschwerden gilt: Nur ein schneller Bescheid ist ein guter Bescheid. Aber bei der aufgezeigten fallenden Tendenz bin ich doch auf einem sehr guten Weg.
Die erhebliche Verkürzung der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer hat ihren Grund darin, dass der Trägerverein die Organisation ordentlich gestrafft und weiteres juristisches Personal eingestellt hat.
Mir zur Seite stehen jetzt neun Volljuristen und zwölf Versicherungskaufleute. Insgesamt hat das Büro hier in Berlin 31 Mitarbeiter.
Mit der nun gestrafften Organisation, der erhöhten Mitarbeiterzahl und nicht zuletzt der klaren Satzung und Verfahrensordnung, die die Unabhängigkeit des Ombudsmannes garantiert und ihm eigene Entscheidungsbefugnisse einräumt, sehe ich diese Schlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft gut aufgestellt für die künftigen Anforderungen.
Diese werden wesentlich beeinflusst durch künftige Regelungen der Europäischen Union. Der politische Wille aus Brüssel ist schon heute vielfältig erkennbar. Er geht dahin, dass sich der einzelne Verbraucher gegen übermächtig erscheinende Unternehmen und andere Vertragspartner beschweren können soll, ohne gleich die staatlichen Gerichte in Anspruch nehmen zu müssen.
Die Einrichtung geeigneter Schlichtungsstellen ist in diesem Verständnis eine Maßnahme des Verbraucherschutzes.
Die Schlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft entspricht dieser Vorstellung rechtlich wie tatsächlich in vollem Umfang.
Pressekontakt: Prof. W. Römer, Tel.: 0 30 20 60 58 – 10