Der Ombudsmann für Versicherungen, Prof. Dr. Günter Hirsch, hat am 24. Mai 2012 in Berlin seinen Jahresbericht 2011 vorgelegt. Das Dokument, das auf der Homepage eingesehen und heruntergeladen werden kann, informiert umfassend über die Schlichtungsstelle. Jede Versicherungssparte wird in ihren Besonderheiten und in der Beschwerdebearbeitung dargestellt, zudem schildern viele Beschwerdefälle anschaulich die Tätigkeit des Ombudsmanns im Jahr 2011.
17.733 Beschwerden erreichten die Schlichtungsstelle, dies waren 3,4 % weniger als im Jahr 2010. Deutlich abgenommen hat die Zahl der Eingaben zur Lebens- und Rentenversicherung, auch wenn zu dieser Sparte mit 32,7 % der zulässigen Beschwerden immer noch mit großem Abstand die meisten Eingänge zu verzeichnen waren. Die durchschnittliche Verfahrensdauer konnte von 4,4 Monaten im Vorjahr auf 3,4 Monate gesenkt werden. 40 % der Verfahren gegen Versicherungsunternehmen endeten ganz oder teilweise zugunsten der Beschwerdeführer, ausgenommen Beschwerden zur Lebens- und Rentenversicherung.
Prof. Hirsch, ehemaliger Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), griff die aktuelle Diskussion auf, in der u. a. die Rücknahme von Revisionen kritisiert wird, weshalb es nicht zu einer Klärung von rechtsgrundsätzlichen Fragen durch das höchste deutsche Zivilgericht gekommen war. Er sprach sich dafür aus, die Debatte sachlicher zu führen. Das Verhalten sei nach dem Prozessrecht zulässig und könne daher nicht der betreffenden Partei vorgehalten werden. Das Problem sei vielmehr rechtspolitischer Natur und liege in einer Unstimmigkeit des Rechtsmittelsystems. Abhilfe könne nur der Gesetzgeber schaffen.
Ob der BGH Grundsatzfragen entscheide oder nicht wirke sich auch auf seine Tätigkeit als Ombudsmann aus. So sei durch die Entscheidung des Gerichts vom 12. Oktober 2011 geklärt, dass sich Versicherer nicht mehr auf Bedingungen berufen können, die im Hinblick auf die Verletzung von Obliegenheitspflichten nicht an die neue Rechtslage des VVG 2008 angepasst wurden. Damit müssten Beschwerden, in denen es auf diese Frage ankomme, nicht mehr unbeschieden bleiben. Die Klärung anderer Fragen stünde dagegen, z. T. seit Jahren, aus.
Es werde immer wieder die Frage aufgeworfen, ob das „größte deutsche Privatgericht“ (Zeitschrift Capital) zur Entlastung der Gerichte beitrage. Dies lasse sich nun anhand von Statistiken überprüfen, die frei zugänglich sind: Seit einigen Jahren erhält der Ombudsmann etwa 18.000 bis 19.000 Beschwerden. Die Gerichtsstatistiken weisen für versicherungsrechtliche Prozesse bei den Amtsgerichten langfristig einen rückläufigen Trend aus. Daher legen diese Zahlen den Schluss nahe, dass durch die Arbeit des Ombudsmanns tatsächlich weniger Streitigkeiten vor Gericht ausgetragen werden. Die Einrichtung der Versicherungswirtschaft habe längst bewiesen, dass der Verbraucher das Angebot zur Streitbeilegung annimmt, wenn Unabhängigkeit, Fachkompetenz und Effizienz des Ombudsmannverfahrens sichergestellt seien. Folgerichtig unterstütze die Politik den Versicherungsombudsmann. Verbraucherministerin Aigner hatte bei der Veranstaltung zum 10-jährigen Jubiläum die Vorteile für Verbraucher hervorgehoben und die Schlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft als Vorbild für effektiven Verbraucherschutz – auch für andere Branchen – empfohlen.
Auch international erhalte die außergerichtliche Streitbeilegung Rückenwind. Die EU-Kommission beabsichtige Verbrauchern europaweit beim Bezug von Dienstleistungen und Waren wirksame Beschwerdesysteme zur Verfügung zu stellen. Eine Richtlinie und eine Verordnung befänden sich im Abstimmungsprozess. Die darin genannten Anforderungen erfülle der Versicherungsombudsmann e. V. bereits heute. Alternative Streitbeilegung, so Prof. Hirsch, werde daher sicher noch weiter an Bedeutung gewinnen.
Mitunter habe der Ombudsmann nicht nur die nationale, sondern auch die europäische Rechtslage zu berücksichtigen. So sei durch eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom Februar 2012 eine umstrittene Frage im Reiserecht geklärt worden. Offen war zuvor, ob Versicherer, die Pauschalreisende gegen Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Reiseveranstalters versichern, auch bei betrügerischem Verhalten des Veranstalters leisten müssen. Gesetz und Versicherungsbedingungen sehen vor, dass Versicherungsschutz besteht, wenn die Reise „infolge“ der Insolvenz ausfalle. Daraus hatten einige Gerichte ebenso wie der Ombudsmann abgeleitet, Ursache der ausgefallenen Reise müsse die Insolvenz sein. Bei betrügerischem Verhalten stehe jedoch von vornherein fest, dass keine Reise stattfinden werde. Der EuGH stellte dagegen auf die allumfassende Schutzwirkung eines Sicherungsscheines ab, die auch im Falle eines betrügerischen Bankrotts des Reiseunternehmers greifen müsse. Der Ombudsmann informierte die Beschwerdeführer bereits abgeschlossener Verfahren über die Rechtslage und ermöglichte ihnen so, nachträglich Leistungen zu erhalten.
Prof. Hirsch wies bei der Vorstellung des Jahresberichts zudem darauf hin, dass die Versicherungswirtschaft mit dem neugestalteten Hinweis- und Informationssystem (HIS) Bedenken der Datenschutzbeauftragten ausräumen konnte. Auch aus seiner Sicht als Ombudsmann sei die Neukonzeption gelungen, denn diesbezügliche Beschwerden, für die er grundsätzlich zuständig sei, gebe es nur sehr vereinzelt.
Bei Fragen:
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