Der Ombudsmann für Versicherungen, Prof. Dr. Günter Hirsch, hat am 26. Mai 2011 in Berlin seinen Jahresbericht 2010 vorgelegt. Das Dokument kann auf der Homepage eingesehen und heruntergeladen werden und informiert umfassend über die Schlichtungsstelle, insbesondere über die Beschwerdefälle des Jahres 2010. 18.357 Beschwerden erreichten die Schlichtungsstelle, dies waren 212 bzw. 1,2 % mehr als im Jahr 2009. Nach wie vor betrafen die meisten Eingaben die Lebens- und Rentenversicherung gefolgt von der Rechtsschutzversicherung und der Kfz-Versicherung.
Im Berichtsjahr war der Ombudsmann erstmals mit Beschwerden befasst, die im Zusammenhang mit der Insolvenz eines Versicherers standen. Im Juni 2010 stellte sich heraus, dass die niederländische International Insurance Corporation (IIC), die unter den Namen INEAS und LadyCarOnline in Deutschland rund 57.000 Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherungsverträge abgeschlossen hatte, sich in finanziellen Schwierigkeiten befand. Das Unternehmen wurde nach niederländischem Recht zunächst unter Notregelung gestellt und kurze Zeit später das Insolvenzverfahren eröffnet. Noch nie zuvor wurde seit Bestehen der Bundesrepublik ein in Deutschland tätiger Kraftfahrtversicherer zahlungsunfähig. Der Ombudsmann erhielt viele Anfragen und Beschwerden von besorgten und verunsicherten Versicherungsnehmern. Inhaltlich ging es vor allem um das Bestehen eines Sonderkündigungsrechts der Versicherten, die Nichtbearbeitung von Schadensfällen, die Nichtzahlung trotz Anerkennung der Leistungspflicht und die fehlende Meldung des Schadenfreiheitsrabatts an den Nachversicherer. Die Versicherten sahen sich mit völlig neuartigen, teilweise dramatischen Problemen konfrontiert, die über das hinausgingen, was sich derzeit im Zusammenhang mit der Insolvenz einer Betriebskrankenkasse ereignet. Inzwischen ist der Kfz-Versicherer aus dem Versicherungsombudsmann e. V. ausgetreten, dennoch sollte nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden, weil der Insolvenzverwalter von den Kunden, die sofort nach Bekanntwerden der finanziellen Schwierigkeiten ihre Policen fristlos kündigten, die Nachzahlung von Prämien fordert. Außerdem ist die Frage neu zu beantworten, an welchen Kriterien sich Verbraucher orientieren können, wenn sie einen Kfz-Versicherer auswählen. Schließlich geht es darum, Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen Versicherern im europäischen Binnenmarkt in Zukunft zu verhindern.
2010 erreichten den Ombudsmann einige „Quotenfälle“. Seit der Gesetzesreform 2008 ist der Versicherer berechtigt, bei grob fahrlässiger Gefahrerhöhung, Obliegenheitsverletzung oder Herbeiführung des Versicherungsfalles seine Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens zu kürzen. Die Höhe der Kürzung wird je nach Nähe zum unteren (einfache Fahrlässigkeit) und oberen Grenzbereich (Vorsatz) festgelegt. Inzwischen sind einige Urteile mit nicht immer einheitlichen Maßstäben ergangen. Soweit in einzelnen Beschwerdefällen Versicherer das Maß des Verschuldens überbewertet haben, gelang es dem Ombudsmann, eine einvernehmliche Lösung zu finden, wobei auch hier nicht selten Beweisfragen einzubeziehen waren.
455 Beschwerden wurden auf gesetzlicher Grundlage als Vermittlerverfahren durchgeführt. Diese Anzahl blieb auch im dritten Jahr recht konstant (2009: 479, 2008: 461). Diese verhältnismäßig wenigen als Vermittlerbeschwerden ausgewiesenen Verfahren ergeben sich nicht zuletzt deshalb, weil Beschwerden, mit denen ein Fehler eines Versicherungsvertreters bei Abschluss des Vertrages gerügt wird, in aller Regel zusammen mit den Verfahren gegen Versicherungsunternehmen behandelt und so auch statistisch erfasst werden. Dies ist der Fall, wenn sich das Anliegen des Beschwerdeführers an den Versicherer richtet, das Verhalten des Versicherungsvertreters dem Unternehmen zuzurechnen und das Unternehmensverfahren eröffnet ist.
Mitunter muss der Ombudsmann den Beteiligten aus grundsätzlichen Erwägungen vor Augen führen, dass das Ombudsmannverfahren sich auch nach Sinn und Zweck von einem gerichtlichen Verfahren unterscheidet. Es dient nicht in erster Linie dem kontradiktorischen Schlagabtausch zwischen den Beteiligten, also dem „Kampf ums Recht“. Primäres Ziel des Ombudsmannverfahrens ist die Schlichtung, der Ausgleich der Interessen, die laienverständliche Erläuterung der Rechtslage, der Befriedung und der Wiederherstellung tragfähiger Geschäftsbeziehungen. Ein „Sieg“ des Unternehmens in einem Grenzfall kann sich als Pyrrhussieg erweisen, wenn dadurch die Kundenbindung verloren geht. Sowohl eine gute als auch eine schlechte Erfahrung des Versicherten mit seinem Versicherer im Beschwerdefall hat Multiplikationseffekte zugunsten oder zulasten des Versicherers.
Im Interesse der Verbraucher sollte erwogen werden, das „Berufsbild“ des privaten Ombudsmanns oder Streitschlichters zu regeln. Damit die Beschwerdeführer sich auf die Neutralität und Kompetenz des Schlichters verlassen können, bedarf es neben der persönlichen auch einer institutionellen Unabhängigkeit. Außerdem sollte ein Gremium, in dem die Verbraucher paritätisch vertreten sind, die Arbeit einer Schlichtungsstelle begleiten. Auch könnte die Befugnis zur verbindlichen Entscheidung ein wichtiges Kriterium sein. All dies entspricht übrigens weitgehend einer Forderung des vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.) vom Oktober 2010.
Bei Fragen:
Prof. Dr. Günter Hirsch / Dr. Horst Hiort
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