Pressemitteilung vom 20. Mai 2021
Jahresbericht 2020 des Versicherungsombudsmanns veröffentlicht
Der Ombudsmann für Versicherungen, Dr. h. c. Wilhelm Schluckebier, ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts und am Bundesgerichtshof, stellte am 20. Mai 2021 in Berlin den Jahresbericht 2020 vor. Die als selbstständiger Verein organisierte Verbraucherschlichtungsstelle behandelt seit nunmehr fast 20 Jahren Beschwerden aus allen Versicherungssparten, ausgenommen der Privaten Krankenversicherung.
Im Jahr 2020 erreichten die Schlichtungsstelle 13.235 zulässige Beschwerden. Gegenüber 2019 bedeutet das einen leichten Anstieg von 1,8%, der sich im Rahmen der langjährigen Schwankungsbreite bewegt.
Dr. Schluckebier informierte über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Beschwerdethemen sowie die Beschwerdebearbeitung. Auffälligste Folge war der Anstieg von Eingaben in der Reiseversicherung. Beschwerdeführer forderten die Erstattung der Beiträge zur Reiseversicherung, da diese aufgrund der Stornierung der Reise durch den Veranstalter hinfällig geworden seien. Weiter ging es um die Frage, ob Versicherer die Stornokosten von Reisen übernehmen mussten, von denen die Versicherungsnehmer aufgrund der pandemiebedingten Reisebeschränkungen oder der Sorge, an COVID-19 zu erkranken, zurückgetreten waren. Teilweise reklamierten Versicherer fehlende ärztliche Attestierungen des Rücktrittgrundes oder solche nach lediglich telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Arzt, was die Beschwerdeführer mit den Einschränkungen aufgrund des Lockdowns erklärten. Das in der Öffentlichkeit zeitweilig breit diskutierte Regulierungsverhalten in der Betriebsunterbrechungs- und Betriebsschließungsversicherung habe sich laut Dr. Schluckebier nicht nennenswert ausgewirkt, weil die Schlichtung auf Beschwerden von Verbrauchern ausgerichtet ist.
Die Bedeutung der Rechtsprechung für die Beschwerdethemen, aber auch für die Zahl der Eingaben, erläuterte Dr. Schluckebier anhand des sogenannten Kaskadenverweises in Musterwiderrufsbelehrungen. Darunter sind in Belehrungen enthaltene kettenartige Verweise auf Vorschriften zu verstehen, die ihrerseits auf andere Bestimmungen weiterverweisen. Diese bewertete der Europäische Gerichtshof für bestimmte Rechtsgebiete als nicht hinreichend klar und verständlich, wohingegen der Bundesgerichtsgerichtshof zunächst eine andere Beurteilung vorgenommen hatte. Die sich daraus ergebenden komplizierten und umstrittenen Rechtsfragen gaben, so Dr. Schluckebier, immer wieder Anlass zu Beschwerden. Spezialisierte Anwaltskanzleien, die rechtsschutzversicherte Mandanten auch über Internetauftritte akquirierten, schalteten nicht nur Gerichte, sondern auch den Ombudsmann ein.
Die Abläufe in der Beschwerdebearbeitung wurden im Berichtsjahr von der Pandemie nicht negativ beeinträchtigt. Die Umstellung auf die ausschließlich elektronische Bearbeitung Anfang 2020 und die zügige Einführung des Fernzugriffs haben es auch den Mitarbeitern, die zeitweilig wegen geschlossener Kitas oder Schulen die Betreuung ihrer Kinder übernehmen mussten, ermöglicht weiterzuarbeiten.
Zum letzten Mal informierte Dr. Horst Hiort über die Statistik und die Entwicklung des Vereins. Er wird im Januar 2022 im Alter von 63 Jahren nach dann über 18 Jahren seine Tätigkeit als Geschäftsführer des Versicherungsombudsmann e. V. beenden. Dr. Hiort erläuterte, dass sich die zulässigen Eingaben in den Sparten im Berichtsjahr sehr unterschiedlich entwickelt haben. Beschwerden zur Lebensversicherung gingen um rund 10% und damit in ähnlicher Größenordnung zurück, wie solche aus der Hausratversicherung, gefolgt von der Allgemeinen Haftpflichtversicherung mit ca. 8%. Zuwachs war dagegen in der Kfz-Kasko (+16%) und -Haftpflichtversicherung (+10%) festzustellen. Auch Beschwerden zur Rechtsschutzversicherung (+8%) nahmen wieder zu. Diese Sparte weist seit fünf Jahren die meisten Beschwerden auf (3.463). Die vielen kleineren Sparten, die unter „Sonstige Beschwerden“ statistisch erfasst werden, erhöhten sich ebenfalls deutlich (+15%), wobei die dazu zählende Reiseversicherung allein um fast 80% zulegte.
Die durchschnittliche Verfahrensdauer, so Dr. Hiort, habe trotz der Pandemie um 10% weiter verkürzt werden können. Von der Einlegung einer Beschwerde bis zum Verfahrensabschluss vergingen bei zulässigen Eingaben durchschnittlich nur 70 Tage, obwohl die Beteiligten jeweils Gelegenheit erhalten, zu dem Vortrag der anderen Seite Stellung zu nehmen.
Der Jahresbericht steht zum Download auf der Website der Schlichtungsstelle bereit (www.versicherungsombudsmann.de).
Bei Fragen:
Dr. h. c. Wilhelm Schluckebier / Dr. Horst Hiort
Tel: 030 / 206058-0
Fax: 030 / 206058-58
E-Mail: w.schluckebier@versicherungsombudsmann.de
h.hiort@versicherungsombudsmann.de