Der Ombudsmann für Versicherungen, Prof. Dr. Günter Hirsch, ehemaliger Präsident des Bundesgerichtshofs, hat am 23. Mai 2017 in Berlin seinen neuen Jahresbericht vorgelegt.
Im Grußwort würdigt der Bundestagsabgeordnete Max Straubinger, seit Gründung der Institution im Jahr 2001 Mitglied im Beirat des Trägervereins, den Versicherungsombudsmann. Aus der Sicht der Politik „sollte den Verbrauchern eine flexible, kostenfreie und unbürokratische Möglichkeit zur Klärung und Durchsetzung ihrer Rechte eröffnet werden – ohne das finanzielle Wagnis eines Gerichtsprozesses. Und dies alles mit der Gewähr einer professionellen und zeitnahen Lösung.“ Diese Erwartungen seien mehr als erfüllt worden.
Nach den Ausführungen von Prof. Hirsch erreichte im Berichtsjahr die VW-Abgas-Affäre den Ombudsmann. In den etwa 200 Beschwerden zur Rechtsschutzversicherung sei es ganz überwiegend um Deckungsablehnungen einiger Versicherer gegangen. Zur Begründung führten diese fehlende Erfolgsaussichten oder mutwillige Rechtsverfolgung an, da VW eine Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge zugesagt habe und weitergehende Ansprüche der Käufer nicht bestünden. Soweit in den Verträgen vorgesehene Stichentscheide und Schiedsgutachten zu einer anderen Auffassung gelangten, bestritten die Unternehmen deren Bindungswirkung. Bis auf einen Sonderfall seien alle Beschwerden – überwiegend durch Schlichtungsvorschläge und Empfehlungen – beendet.
Außerdem schilderte Prof. Hirsch strukturelle Probleme im Zusammenhang mit dem Online-Abschluss von Reiseversicherungen. In den Beschwerden wurde zum Teil gerügt, dass man überhaupt keine Versicherung habe abschließen wollen. Zum Teil sei zwar der Vertragsschluss gewollt gewesen, aber durch versteckte Klauseln nicht nur die gebuchte Reise abgesichert, sondern eine Jahresversicherung geschlossen worden, die sich dann auch noch um ein weiteres Jahr zu erheblich höheren Prämien verlängert habe. Die rechtliche Analyse dieser Verträge ergab ein kaum durchschaubares Geflecht von beteiligten Vermittlern und Zwischenvermittlern, die als GmbHs organisiert waren (und die sich teilweise bereits in Insolvenz befanden). In einem Teil der Beschwerden konnten Abhilfen erreicht werden, im Übrigen gestaltete sich die Beilegung der Streitfälle aufwendig und schleppend.
Aus aktuellem Anlass ging Prof. Hirsch auf die Restschuldversicherung ein. Hauptsächlich werde über Leistungsverweigerungen sowie über behauptete Beratungsmängel bei Vertragsschluss gestritten. Oft lägen kompliziert gestaltete Vertragsbeziehungen zugrunde, wie er sie im letzten Jahr unter dem Stichwort „komplizierte Dreiecksverhältnisse“ ausführlich geschildert habe. Dabei vergebe die Bank nicht nur das Darlehen, sondern vermittle zugleich den Restschuldversicherungsvertrag, in dem sie auch die Rolle als Versicherungsnehmer einnehme. Dem Verbraucher als Kreditnehmer komme die rechtlich schwächere Stellung der
versicherten Person zu. Daraus ergebe sich das Problem, ob der Verbraucher überhaupt berechtigt ist, ohne Zustimmung der Bank Beschwerde beim Ombudsmann einzulegen. Komme man zur Prüfung von Ansprüchen, stelle sich die Frage, wer bei Vertragsschluss überhaupt zu beraten ist; das VVG sehe vor, dass nur dem Versicherungsnehmer, hier also die Bank, gegenüber eine Beratungspflicht besteht. In der genannten Vertragskonstellation diene der Restschuldversicherungsvertrag zumindest auch den Interessen der Bank, da ihr ein Teil des Ausfallsrisikos abgenommen werde. Sie erhalte für die Vermittlung eine Provision, der Verbraucher dagegen habe die Kosten zu tragen und sei mit weniger Rechten als ein Versicherungsnehmer ausgestattet. Prof. Hirsch wies darauf hin, dass noch viele grundsätzliche Rechtsfragen offen seien. Darüber habe er als Ombudsmann nicht zu entscheiden. Er meine aber, dass nicht allein die Gerichte diese Unwucht beseitigen könnten, sondern auch der Gesetzgeber gefordert sei.
Zur Statistik und den Entwicklungen des Vereins führte Dr. Horst Hiort, der Geschäftsführer des Vereins, aus. Im Berichtsjahr seien 14.659 zulässige Beschwerden bei der Schlichtungsstelle eingegangen. Gegenüber dem Jahr 2015 bedeute dies eine Steigerung um 6,2 Prozent (nach 7,7 Prozent gegenüber dem Jahr 2014) auf die bisher höchste Zahl seit Aufnahme der Schlichtungstätigkeit im Jahr 2001. Dies bestätige, dass die vom Gesetzgeber geförderte außergerichtliche Streitbeilegung immer mehr angenommen werde. Bei der Betrachtung auf Spartenebene falle der erneute deutliche Zuwachs von 36,4 Prozent zulässiger Beschwerden in der Rechtsschutzversicherung, nach bereits 32,3 Prozent im Jahr davor, auf. Damit überstiegen diese Beschwerden erstmals die Lebensversicherung. Die Beschwerden in der Kfz-Kaskoversicherung stiegen um 9,2 Prozent auf nunmehr 969. Im Berichtsjahr wurden 14.288 (Vorjahr: 14.014) zulässige Beschwerden abschließend bearbeitet. Zusammen mit den unzulässigen und von den Beschwerdeführern nicht weiterverfolgten Vorgängen wurden 19.115 Verfahren beendet. Die durchschnittliche Verfahrensdauer der zulässigen Beschwerden konnte auf 2,8 (Vorjahr: 3,0) Monate gesenkt werden und bleibt somit auf einem erfreulich niedrigen Niveau.
Die Anpassung der Satzung und Verfahrensordnungen des Vereins an die Vorgaben des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes warf keine Probleme auf. Entsprechend dem Gesetz wird dem Schlichtungsvorschlag größere Bedeutung beigemessen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Verfahren nun auch mit einem Vorschlag zur gütlichen Einigung beendet werden. Erste Erfahrungen zeigen, dass die Mitgliedsunternehmen dieser Tendenz positiv gegenüberstehen.
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