Die neue Ombudsfrau für Versicherungen, Dr. Sibylle Kessal-Wulf, Richterin des Bundesverfassungsgerichts a. D., stellte gemeinsam mit ihrem Vorgänger im Amt, Dr. h. c. Wilhelm Schluckebier, Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D., am 15. Mai 2024 in Berlin den Jahresbericht 2023 vor. Die als selbstständiger Verein organisierte Verbraucherschlichtungsstelle behandelt seit 23 Jahren Beschwerden aus allen Versicherungssparten, ausgenommen die Private Kranken- und Pflegeversicherung.
Dr. Kessal-Wulf leitete ein mit einem Dank an Dr. Schluckebier und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle für die Erstellung des Jahresberichts. Weiter teilte sie mit, dass es ihren drei Vorgängern im Amt gelungen sei, den Versicherungsombudsmann e. V. als die Verbraucherstreitschlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft aufzubauen und zu etablieren. Diesen erfolgreich beschrittenen Weg möchte sie mit dem gesamten Team der Geschäftsstelle des Vereins weiter ausbauen.
Dem Jahresbericht vorangestellt ist ein Nachruf auf den ehemaligen, langjährigen Vorsitzenden des Beirats Professor Dr. Dr. h. c. mult. Jürgen Basedow, LL.M. (Harvard Univ.), (* 29.09.1949 – † 06.04.2023). Darin würdigen die Vorsitzende des Beirats, Professorin Dr. Petra Pohlmann, und der Vorsitzende des Vorstands, Thomas Flemming, Professor Basedow als einen der Wegbereiter bei der Gründung des Versicherungsombudsmann e. V. im Jahr 2001 und dessen Entwicklung als anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle von zentraler Bedeutung.
Im Grußwort hebt die Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv), Ramona Pop, hervor, dass der Versicherungsombudsmann e. V. eine echte Hilfe für Verbraucher ist. Schlichtung sei ein wichtiges Element der Streitbeilegung und teilweise als Instrument bei den Verbrauchern noch zu wenig bekannt.
Der Geschäftsführer des Vereins, Constantin Graf von Rex, informierte über die Statistik und die Entwicklung des Vereins. Im Jahr 2023 erreichten die Schlichtungsstelle insgesamt 18.037 Beschwerden. Diese Zahl lag im Vorjahr noch bei 15.907. Das entspricht einer Zunahme um 13,4 Prozent. Zulässig waren davon 13.205 Beschwerden. Gegenüber dem Jahr 2022 bedeutet das einen Anstieg der zulässigen Beschwerden um 11,0 Prozent. Die Zunahme von Schlichtungsanträgen betraf fast alle Sparten. Besonders starke Zuwächse verzeichneten bei den zulässigen Beschwerden die Kfz-Versicherungen (Kfz-Haftpflicht + 27 Prozent, Kfz-Kasko + 30 Prozent), die Hausrat-versicherung (+ 20 Prozent), die Allgemeine Haftpflichtversicherung (+ 22 Prozent) und die „sonstigen Versicherungen“ (+ 20 Prozent, dazu gehören u. a. Elektronik-, Tierkranken- und Reiseversicherung) sowie die Unfallversicherung (+ 39 Prozent). Die Erfolgsquote der Schlichtungsanträge bei Unternehmensbeschwerden lag in der Lebensversicherung bei 35 Prozent, bei den anderen Sparten insgesamt bei 50,8 Prozent und ist damit nochmals leicht angestiegen.
Dr. Schluckebier führte aus, dass auch im letzten Jahr in der Lebensversicherung die Fälle des Widerspruchs oder des Widerrufs von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen für die Beschwerdebearbeitung prägend waren. In 2023 traten erstmals Beanstandungen der Abschlusskosten für die im Anschluss an Riesterbanksparpläne von Banken oder Sparkassen abgeschlossene Rentenversicherungsverträge auf, bei denen zum Eintritt in die Auszahlungsphase von Kunden als relativ hoch empfundene Abschlusskosten vom Kapital abgezogen werden.
In der Rechtsschutzversicherung verlangten häufiger Nutzer von Social-Media-Plattformen Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung von Schadenersatz-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen, nachdem es bei den Plattformbetreibern zu Datenlecks gekommen und ihre persönlichen Daten in fremde Hände geraten waren.
Weiter teilte Dr. Schluckebier mit, dass in den Kfz-Versicherungen häufige Versichererwechsel, die offenbar wegen der Schnelllebigkeit dieses Bereiches und der Beliebtheit von Vergleichsportalen zunehmen, wieder viele Unklarheiten im Zusammenhang mit der Einstufung in Schadenfreiheitsklassen und der Übertragung der Einstufung auf einen nächsten Versicherer zur Folge hatten. In der Gebäudeversicherung machten wiederum Sturm-, Leitungswasser- und Rohrbruchschäden sowie Elementarschäden den größten Anteil der Beschwerden aus. In der Hausratversicherung lag der Schwerpunkt wie in den Vorjahren bei Einbruchdiebstahlschäden und Schäden durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser. Stark zugenommen haben erneut Beschwerden in sogenannten Phishing-Fällen. Die Methoden der Täter werden immer raffinierter. Dem werden ältere Versicherungsbedingungen mit ihrer Beschreibung des Leistungsumfangs und der Formulierung etwaiger Ausschlussklauseln oft nicht gerecht. Hier zeige sich, dass die bei Vertragsschluss vereinbarten Bedingungen von den Kunden und in der Beratung daraufhin überprüft werden sollten, ob sie noch zeitgerecht seien. Auch zur Privat- und zur Tierhalterhaftpflichtversicherung haben sich die Schwerpunkte der Fallbearbeitung gegenüber den Vorjahren ebenfalls nicht wesentlich verändert. In der Tierkrankenversicherung hat sich im letzten Jahr die Zahl der Beschwerden stark erhöht.
Nach dem Abklingen der Corona-Pandemie machte sich in der Reiseversicherung bemerkbar, dass wieder mehr gereist wird. Im Zentrum standen die Fragen, ob dem Reiserücktritt oder Reiseabbruch ein versichertes Ereignis zugrunde lag (zumeist eine unerwartete schwere Erkrankung) und ob die Stornierung der Reise unverzüglich nach Eintritt des Versicherungsfalls erfolgt war. Die hohe prozentuale Zunahme von Beschwerden in der privaten Unfallversicherung (+39 Prozent gegenüber 2022) ging nicht auf Sondereffekte zurück. Deshalb besteht Grund zu der Annahme, dass während der Corona-Pandemie die Menschen weniger aktiv waren und sich seltener unfallträchtigen Risikosituationen aussetzten. Das hat sich nun wieder geändert. Deshalb stieg die Beschwerdezahl wieder in Richtung auf früher bekannte Größenordnungen an.
Der Jahresbericht steht zum Download auf der Website der Schlichtungsstelle bereit (www.versicherungsombudsmann.de).
Bei Fragen:
Dr. Sibylle Kessal-Wulf / Constantin Graf von Rex
Tel: 030 / 206058-0
Fax: 030 / 206058-58
E-Mail: s.kessal-wulf@versicherungsombudsmann.de
v.rex@versicherungsombudsmann.de